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Donnerstag, 5. August
Auf den Spuren der Platypusse und Bayern

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Da wir die letzten Tage vorrangig in der Stadt verbrachten, zieht es uns nun wieder mal in die Wildnis und zu Tie-
ren, denn auch im Umland von Adelaide gibt es einige Orte, von denen alle Einheimischen berichten, dass man
sie unbedingt gesehen haben muss. Also brechen wir direkt nach dem Frühstück in Richtung der Berge im Os-
ten der Metropole auf.

Unser erstes Ziel ist ein kleines Städtchen namens Stirling, denn dort gibt es angeblich die schönsten Häus-
chen in dieser Gegend. Es heißt, dass im 19. Jahrhundert die Anwohner aus dem heißen Flachland in die er-
frischend kühlen Berglandschaften geflohen sind, um dort ihre Sommerresidenzen aufzubauen. Das Klima hier
ist feucht und mild, sodass sogar speziell für diese Gegend Laubbäume aus Europa eingeführt wurden und diese
nun prächtig gedeihen. Im Herbst - wer sich selbst davon überzeugen möchte denkt bitte an die Zeit zwischen
März und Mai - gilt Stirling aufgrund der für Australien eher untypischen Laubfärbung als eine Must-See-Attrak-
tion. Ähnlich wohl dem Indian Summer in Nordamerika.

Wir bekommen am heutigen Wintertag leider nicht nur die übliche Feuchtigkeit mit, sondern durch den einset-
zenden Nieselregen auch noch gleich etwas mehr. Aus diesem Grund und natürlich auch weil für Europäer die
Gegend eigentlich zu normal wirkt, um große Begeisterungsstürme zu wecken, fahren wir zum Gucken nur mal
kurz das Städtchen mit seinen knapp 3000 Einwohnern auf und ab. Für Australier ist diese Ansicht bestimmt
etwas sehr außergewöhnliches, keine Frage - sorry.

Der nächste Tipp weckt da schon mehr unsere Aufmerksamkeit und besonders Olga gelüstet es nach etwas ty-
pisch Australischem. Im Warrawong Sanctuary soll es die Möglichkeit geben, Platypusse (zu Deutsch: Schna-
beltiere) sehen zu können. Diese Gattung gibt es in freier Wildbahn eben nur in Down Under und zusammen mit
den Echidnas (die kennen wir ja schon) zählen sie als einzige Spezies der Welt zu der Klasse der Säugetiere,
obwohl sie Eier legen.

 
Erstaunlicherweise kostet der Eintritt in den Naturschutzpark tagsüber mal
wieder nichts, dabei sieht er aus wie ein kleiner Zoo oder Wildpark, wie wir
ihn aus der Heimat kennen. Nur für eine Führung oder die jetzt um 11 Uhr
stattfindende Tierschau muss bezahlt werden. Als wir an der Kasse gefragt
werden, ob wir letztere für 5 AUD pro Nase anschauen möchten, haben wir
schnell ja gesagt, ohne wirklich zu wissen, was am Ende genau auf uns
zukommt. Und was dann passiert, hätten wir niemals erwartet ... sind wir
vielleicht doch zu sehr eingedeutscht?

 
Unweit vom Info- und Kassenhaus sitzen wir nun auf Stühlen, die auf einem gepflasterten Boden unter einem
Holzdach zu fünf Reihen im Halbkreis angeordnet sind und warten darauf, dass jemand kommt. Dabei meinen
wir aber jetzt nicht nur den Präsentator, sondern auch weitere Zuschauer - wir sind hier noch ganz allein und die
Show sollte schon vor ein paar Minuten beginnen. Na klar, es ist Winter, mitten in der Woche und außerhalb der
Ferienzeit. Als Mike, der extra für uns von der Kassiererin zum Platz beordert wurde, um die Ecke sprintet, ler-
nen wir wieder mal das kennen, was wir an Australien so schätzen: Freundlichkeit trotz anderer Erwartungen,
Improvisation und ein Engagement, wie man es bei einer Privatvorstellung nie zu hoffen gewagt hätte.

Der fröhliche Mittzwanziger zeigt uns in der nächsten halben Stunde Kleintiere, welche in Australien sehr oft in
direkter Nähe des Menschen leben und von denen manche sogar ganz schön giftig sein können. Die meisten
sind aber recht harmlos, selbst wenn sie zum Teil furchteinflößend aussehen. Dabei scherzt er auch immer
wieder über die simple Namensgebung, denn optische Merkmale reichen in der Regel aus, um eine passende
Bezeichnung zu finden. Nach einer kurzen Einführung geht Mike immer wieder in ein Holzhäuschen an der
Stirnseite des Unterstandes, zeigt das Tier unserer nur aus zwei Personen bestehenden Gruppe, hat äußerst
interessante Erklärungen parat und gibt zum Teil auch die ein oder andere Anekdote oder Geschichte zum Bes-
ten.

Wir beginnen mit der giftigsten Spinne dieser Gegend, der Red-Back Spider, die, wie kann es anders sein, auf
ihrem schwarzen Körper eine rote Rückenpartie aufweist. Die Rotrückenspinne befindet sich zwar in einem klei-
nen Glasterrarium und sieht ganz interessant bzw. mit ihren 1 cm Länge auch nicht sonderlich gefährlich aus,
aber Olga kann Arachniden im Allgemeinen nichts abgewinnen und fühlt sich deshalb etwas unwohl. Gleichzei-
tig muss sie dann auch noch daran denken, wie sie wohl reagieren würde, wenn so etwas im Sommer im Brief-
kasten vor dem Haus hockt - kreisch! Das wäre für sie ein Grund mehr, hier die gesamte Kommunikation auf
Email umzustellen.

Die nächste Amphibie sagt ihr da schon eher zu. In Mikes Hand sitzt ein total verschlafend wirkender Australian
Green Tree Frog, ein Grüner Baumfrosch. Weitere Aussehensbeschreibungen des durchschnittlich 10 cm gro-
ßen, nachtaktiven Kletterers kann man sich aufgrund seines Namens wohl sparen: grüner geht es nicht. Er-
staunlicher sind allerdings die Fakten, dass dieser Frosch in der Regel hoch oben in Baumspitzen unweit vom
Wasser lebt, bei guten Bedingungen sogar bis zu 20 Jahre alt werden kann und da er sehr ortstreu und recht
zahm ist, in Down Under zu den beliebtesten Haustieren zählt.

Auch der Name des nächsten Reptils beschreibt schon vieles: Blue Tongue
Lizzard
, zu Deutsch Blauzungenechse. Bei der beige-braun-schwarzen Fär-
bung der Haut hätten wir niemals mit einer solch blauen Zunge gerechnet.
Gleichzeitig ist dieses ca. 40 cm lange Tier auch das erste, was wir mal be-
rühren dürfen. Beim Streicheln muss Olga gestehen, dass sie seine Haut
als sehr angenehm empfinde, obwohl man sie auf den ersten Blick als krat-
zig eingeschätzt hätte. Insgesamt fühlt sich die Echse warm und weich an,
keinesfalls schleimig, wie man es bei einer solchen Kreatur vielleicht erwar-
tet hätte.

 
Wir bleiben bei den Echsen und auch hier fällt es nicht schwer anhand des
Aussehens auf den Namen zu schließen. Als Mike uns fragt, landen wir
gleich beim ersten Raten einen Treffer: Pinecone Lizzard (Tannenzapfenech-
se). Auch hier stellt Olga mit Erstaunen fest, dass trotz der tannenzapfen-
ähnlichen Oberfläche die Hautschuppen sehr weich sind. Allerdings wirkt
das ganze Tier mit seinen 30 cm recht gedrungen und mopsig, wobei be-
sonders der Schwanz eher wie ein Knubbel geformt ist, statt wie bei einer
Echse üblich langgezogen und spitz zulaufend. Auch hierfür kann unser
Privatlehrer eine einfache Erklärung geben: ähnlich wie beim Kamel ist dies

der Fettspeicher des Reptils und ein schlanker Verlauf wäre somit ungünstig zum Überleben.

Als nächstes holt Mike eine ca. 20 cm große Murray River Turtle aus dem Schuppen. Wenn bei der Namensge-
bung nicht ihr ursprünglicher Lebensraum Pate gestanden hätte, hieße sie bestimmt Double Thirteen Turtle oder
ähnlich, da in der Regel auf dem Rücken und auf dem Bauch je 13 große Panzerplättchen vorhanden sind.

Das folgende Tier haben wir schon bei Paul's Place kennengelernt, es ist eine
Bartagame. Die Australier nennen sie Bearded Dragon und in freier Wildbahn kom-
men diese tatsächlich auch nur hier in Down Under vor. Die säumenden Stacheln
um Kopf und Bauchpartie sehen äußerst spitz und hart aus, sind aber in Wirklich-
keit nur Attrappe. Das Drüberstreicheln empfindet Olga als angenehm. Mehr als
die Hälfte der Gesamtkörperlänge von ca. 50 cm macht der Schwanz aus, den
man aber lieber nicht festhalten sollte, da das Tier ihn bei Gefahr abtrennen kann,
er aber leider nicht wieder nachwächst. Das sieht dann wohl etwas unschön bzw.
unfertig aus.

Während Mike immer wieder ins Häuschen läuft, um das nächste Exemplar zu holen, huschen am Rand der Ter-
rasse uns noch unbekannte, putzige Fellträger umher. Ein wenig sehen sie aus wie Ratten, es sind in Wirklich-
keit aber Bandicoots (Nasenbeutler oder Beuteldachse), die aufgrund der Ähnlichkeit mit den schlauen und
schädlichen Nagetieren fast ausgerottet sind. Die von Europäern eingeführten Füchse und Katzen jagen sie nur
zu gern und durch die Besiedelung des Menschen bzw. die Schaffung von Weideland für Schafe und andere
Nutztiere wurde ihr natürlicher Lebensraum enorm eingeschränkt. Einige Gattungen von ihnen findet man teilwei-
se sogar nur noch als Abbildungen in Büchern. Dabei erscheinen sie Olga als äußerst flink, denn sie hat kein
Glück, schnell genug die Kamera auf sie zu richten und ein brauchbares Foto zu machen!

 
Das letzte Tier ist ein Carpet Python (Rautenpython). Dieses Reptil scheint eine agile und
neugierige Nase zu sein, denn zunächst schlängelt es sich unentwegt um Mikes Hals und
auf seinem Kopf herum, bevor es dann auch mitbekommt, dass sich noch andere in dessen
Nähe aufhalten. Carsten wird zuerst inspiziert, wobei sich die Schlange von der Hand des
Lehrers zielstrebig aber dennoch ganz sachte in der Luft auf ihn zu bewegt. Für uns ein
wirklich faszinierendes Bild, denn dieser Python streckt sich jetzt bei seiner Gesamtkörper-
länge von fast 3 m mindestens über die Hälfte schnurgerade seinem Körper entgegen. Sol-
che Bauchmuskeln hätten wir auch gerne! Carsten ist diese Fähigkeit allerdings nicht ge-
heuer und er vergrößert mit einigen Schritten zurück die Entfernung. Erst dann wird die
zweite Person für die Schlange interessant und da Olga seine Spezies bereits auf Kanga-
roo Island körpernah kennengelernt hatte, lässt sie sie nach dem gleichen Überhängen ein
wenig auf ihrem Unterarm entspannen. Allerdings gibt Mike im Gegensatz zu Paul das Tier
nicht komplett aus der Hand, sondern behält es weiterhin auf seinen Schultern. Soll ihr
ganz Recht sein, da die Version von vor einer Woche wesentlich ruhiger war und sich nicht
unermüdlich um den Körper geschlängelt hat.


 

 

Das soll es gewesen sein ... wir sind begeistert und verabschieden uns auch so beim Privatlehrer. Diese Darbie-
tung reiht sich ebenfalls in die Einzigartigkeiten dieser Reise ein - ein unvergessliches Erlebnis. Olga könnte
sich vorstellen, dass wir mit weiteren Zuschauern nicht annähernd so viel Spaß und auch Kontakt mit den Tieren
gehabt hätten. Nur der von ihr so erwartete Platypus war noch nicht dabei, denn den gibt es erst am See zu be-
obachten ...

Also machen wir uns auf den Weg durch den Rest der Anlage. Wir spazieren über eine Wiese, auf der sich meh-
rere Kängurus in der Sonne lümmeln, intensive Körperpflege betreiben oder in der uns schon bekannten Manier
mit gesenktem Kopf fressen. Ein paar Meter weiter, direkt neben dem Weg, bekommt ein Albino unsere gesam-
te Aufmerksamkeit. Völlig unbeeindruckt bleibt es selbst dann noch auf der Erde liegen und guckt zufrieden, als

wir nur noch einen Meter von ihm entfernt sind. Erst jetzt fallen uns die kräf-
tigen und spitzen Krallen der Hinterläufe auf. Nun verstehen wir auch die An-
griffshaltung der Kängurus, die sich beim Kampf auf den Schwanz aufstellen
und abwechselnd mal mit den Vorderläufen (deshalb findet man auch in Co-
mics des Öfteren dieses Känguruboxen) und den Hinterläufen zuschlagen.
Die scharfen Enden der Klauen sollen am Opfer richtig böse Schlitz- und
Schnittwunden hinterlassen können. So mancher Unvorsichtige hat das
wohl schon schmerzhaft zu spüren bekommen, wenn man sich mal auf
YouTube ein paar Videos solcher Känguruangriffe anschaut.

Dann ist es endlich soweit, wir erreichen den See, wo das Schnabel-
tier zu beobachten sein soll. Wir lesen zunächst ganz aufmerksam die
Hinweistafel durch, um vielleicht wertvolle Tipps bei der Suche zu be-
kommen. Leider machen uns die darauf befindlichen Angaben keine
großen Hoffnungen, denn die Passagen "sehr aktiv im September
(Brunftzeit) und Februar (die Jungen verlassen den Bau)" und "sie sind
äußerst scheu" sprechen eine deutliche Sprache. Aber ein Satz bleibt
dauerhaft im Gedächtnis: "look on the surface of the water for bubbles"
(Halte auf dem Wasser nach Blasen Ausschau). Aber egal wie lange
Olga danach sucht, es ist und bleibt ohne Erfolg. Kein Platypus weit
und breit ... no bubbles!

Etwas enttäuscht setzen wir unseren Weg durch den Park fort und folgen dem Pfad entlang drei großer Tümpel.
Dabei stehen unweit des Weges hier und da schwarze Papua-Teichhühner, die uns neugierig mit ihren schwar-
zen Äuglein beobachten. An einem Baum entdecken wir einen Vogelnistkasten mit einer ziemlich großzügig er-
weiterten Öffnung. Bei genauerem Hinsehen erkennen wir ein gräuliches Fellknäuel mit Öhrchen und glauben zu-
nächst natürlich an ein Eichhörnchen, aber da wir hier in Australien sind, hält dort vermutlich gerade ein Possum
sein Ganztagsschläfchen.

Nur ein paar Minuten später schon das nächste Tier, denn neben einem abgesägten Baumstamm sitzt ein Wal-

laby und überlegt, ob es nun verschwinden sollte oder doch blei-
ben kann.Wir machen einen großzügigen Bogen und lassen es in
Ruhe, aber wenigstens ein paar Fotoaufnahmen müssen sein. Auf
den weiteren Metern bringt uns die Flora zum Schmunzeln, denn
jetzt im August hätten wir nie und nimmer blühende Narzissen
und Märzenbecher erwartet - es ist schon ein Kreuz mit den un-
terschiedlichen Jahreszeiten auf der Nord- und Südhalbkugel.
 

Als wir am Ausgangspunkt unserer kleinen Wanderung, der Känguruliegewiese, ankommen, wird es Zeit den
Warrawong Park zu verlassen und das nächste Ziel anzusteuern.

Plötzlich entdecken wir beim Rausge-
hen doch noch ein Schnabeltier! Aber
leider nur ein gemaltes auf der Wand
des Eingangshäuschens ... Olga ist so
enttäuscht, dass sie kein lebendiges
erspähen konnte!

Während sie so vor sich hinschmollt,
tippt Carsten den nächsten Stopp im
Navi ein: Mount Lofty.

Da wir diesen Berg bzw. die Adelaide Hills eigentlich von fast überall aus sehen konnten, erhoffen wir uns von
der dortigen Aussichtsplattform einen tollen Blick über Adelaide. Zudem können uns die Mitarbeiter der Touris-
teninformation bestimmt dabei helfen, die Adresse des von Darlene sehr empfohlenen Restaurants zu ermitteln,
denn unser Nüvi kann mit dem klangvollen Namen Scenic Hotel Norton Summit leider nichts anfangen und ver-
langt deshalb unbedingt die Eingabe einer Straße.

Die Kuppe des Mount Lofty liegt 710 m über dem Meeresspiegel und bietet genau das, was wir erwartet hatten.

Vor uns liegt eine sensationelle Aussicht über Adelaide und die weitläufige
Umgebung. Trotz des etwas trüben Wetters können wir unsere Blicke sehr
weit schweifen lassen und erkennen sogar mühelos unsere bisher besuch-
ten Orte, wie z.B. das Stadtzentrum inklusive des mächtigen Parkringes,
die Hafenanlagen von Port Adeaide, unsere Homezone Reynella und das
erst vorgestern besuchte Küstenörtchen Glenelg. Neben der Plattform und
der üblichen Touristeninfo befindet sich hier oben auch die Flinders Column,
die zu Ehren des berühmten Namensgebers und von uns schon mehrmals
erwähnten Entdeckers errichtet wurde.

Olgas herbe Enttäuschung über den nicht gesehenen Platypus ist spätestens nach diesem Rundumblick verflo-
gen und wenn wir jetzt sogar noch die Adresse des Restaurants herausfinden, dann kann sie sogar ihren grum-
melnden Magen besänftigen. Der Mitarbeiter im Infopoint bemüht sich mehr als vermutet und am Ende bekom-
men wir nicht nur den Straßennamen, sondern obendrein auch noch einen supernetten Smalltalk. Typisch aus-
tralisch eben ...

 
Von außen macht das Scenic Hotel Norton Sum-
mit
nicht viel her, aber Darlene hat uns nicht zu
viel versprochen. Das Essen ist Spitzenklasse
und die Aussicht von der Terrasse wäre bestimmt
auch perfekt gewesen - allerdings wohl mehr im

Sommer und nicht jetzt im Winter mit Nieselregen und tief hängenden Wolken. Aber auch das Innere hat seine
Reize. Wir genießen das Knistern der Holzscheite im offenen Kamin und lassen unsere Blicke im liebevoll ein-
gerichteten Gastraum umherwandern.
Die Höflichkeit der Bedienung ist trotz des Wissens kein Trinkgeld zu be-
kommen sehr hoch, wobei sie nahezu jeden unserer Wünsche mit einem fröhlichen "Lovely!" bestätigt. Carsten
entscheidet sich für Sirloin-Steak mit grünen Bohnen und Olga nimmt ein Kängurufilet mit Süßkartoffeln und ein
Gläschen Rotwein. Zum Abschluss des Mahles hat sie glücklicherweise noch ausreichend Platz für ein Stück
Blaubeerkuchen mit Mandeln und einen Cappuccino. Dank Marinas "Coupon-Zauberbuch" mit Gutscheinen aller
Art für Adelaide und Umgebung können wir beim Zahlen sogar noch 20 AUD sparen - Touristenherz, was willst
du mehr! Wer braucht schon Schnabeltiere?

Um uns schon moralisch auf die in Kürze anstehende Rückkehr in die
Heimat vorzubereiten, fahren wir nun nach Hahndorf. Diese Ortschaft
gilt unter den Einheimischen allgemein als eine deutsche Siedlung,
immerhin ist sie auch die erste dieser Art in Australien gewesen. Der
Name des 2000 Einwohner zählenden Nests stammt allerdings nicht
wie man vermuten könnte vom gefiederten Haustier ab, sondern von
einem Sylter Kapitän namens Dirk Meinertz Hahn. Im Dezember
1838 brachte er mit seinem Dreimaster "Zebra" insgesamt 187 Aus-
wanderer aus Deutschland nach Down Under und der unbändige Wille
der Umsiedler, ihr Leben in Australien komplett neu anzufangen, hat
ihn am Ende so sehr beeindruckt, dass er ihnen sogar half, ein pas-
sendes Gebiet dafür zu finden. Nach dem Erreichen der ihnen zuge-

teilten Gegend im Mai 1839 benannten die über 50 Lutheranerfamilien
aus Preußen dem Kapitän zu Ehren die neue Siedlung eben Hahndorf.
Die Familiennamen der ersten Siedler kann man auf den Säulen des
Pioneer Memorial Gardens nachlesen und wir entdecken dort sogar
einige, die denen von Freunden und Nachbarn entsprechen. Damit be-
weist sich mal wieder, dass die Welt doch bloß ein großes Dorf ist ...

Allerdings möchten wir uns gegen die Aussage wehren, dass dieser
Ort typisch deutsch ist ... wieder mal nur in den Klischeevorstellungen
eines Ausländers. Schon beim Aussteigen werden wir mit bayrischer

Schunkelmusik aus dem Hahndorf Inn begrüßt und passend dazu wehen im Wind Fahnen mit blauen und wei-
ßen Rauten - wir hatten es aber eigentlich nicht anders erwartet. Hier gleichen sich mal wieder Amerikaner und
Australier, denn nach deren Vorstellung laufen wir ja alle den ganzen Tag in Lederhosen bzw. Dirndl rum, halten
in der rechten Hand eine Maß Bier und in der linken eine Bratwurst. Mal sehen, was Hahndorf noch für uns zu
bieten hat.

 
Wir entscheiden uns dafür, die Hauptstraße auf der einen Seite runter und
auf der anderen wieder hoch zu laufen, um überall mal einen Blick hinein-
werfen zu können. Wenn da nicht wieder die unglückliche Konstellation mit
Winter, Nachmittag und australische Ladenöffnungszeiten wäre: ab halb
fünf sind die meisten Geschäfte schon zu und selbst die Touristeninforma-
tion hat ihre Tür abgeschlossen. Also gehen wir gleich zu Anfang unserer
Tour in einen noch offenen Deutsch-Souvenirladen, um uns wenigstens dort
in Ruhe mal umzusehen. Über die Zusammenstellung der angebotenen Wa-
ren können wir nur staunen, denn neben Kängurus und Koalas in allen For-
men und Materialien stehen eben auch Kuckucksuhren, Kuhglocken und

sogar Matroschkas, welche die Australier übrigens "Babuschkas" (zu Deutsch: Omis) nennen. Da unsere Aus-
sicht, auf dieser Reise auch einen lebenden Wombat zu sehen, langsam gegen Null tendiert, kaufen wir uns in
diesem Laden wenigstens einen aus Plüsch. Wir lieben nämlich diese typisch australische Tierart und hatten so
große Hoffnung, welche in freier Wildbahn zu erleben.

Wieder draußen, machen wir uns ein Bild von der deutschen Bastion mittels Schaufensterbummel und anhand
der historischen Gebäude, von denen es hier reichlich gibt. Dabei entern wir schnell noch einen Schmuckladen
und kaufen für Olga bei einem völlig durchgefrorenen Verkäufer eine Kette mit einem großen, roten Anhänger.
Als wir das Geschäft verlassen, macht auch er die Tür zu, das Licht aus und begibt sich in den wohl verdienten
Feierabend. Die Schilder der meisten Geschäfte verraten, dass hier einige der deutschen Koch- und Backtradi-
tionen mit Erfolg überlebt haben, so bekommt man in Otto's Backery neben den heimischen Giant Donuts auch
Bienenstich (Bee Sting) und Streuselkuchen (German Cake) sowie im Hahndorf Inn deftige Salami (Bavarian
Bum Burner), Hofbräu-Biere und Schweinshaxen (Giant Juicy Pickle Pork Hock). Bei all diesen Köstlichkeiten
wollen wir den Namen eines Spezialitätengeschäftes ganz und gar unterschreiben: "Lick The Plate", was mit
"Leck den Teller ab" übersetzt werden könnte.

Da Hahndorf aber im Grunde nur aus dieser Hauptstraße besteht und wir sie relativ zügig in beide Richtungen
erkundet haben, wird es Zeit für uns zurück in die Großstadt zu fahren. Bei Dunkelheit verliert leider auch die
schönste Umgebung ihren Reiz und somit entscheiden wir uns für den weniger spektakulären, dafür aber schnel-
leren Weg über den Freeway. Zielstrebig steuern wir in der Nähe von Reynella das Hallett Cove Einkaufszentrum
an, denn eine uns bislang unbekannte Fast-Food-Kette wartet noch darauf, von uns vor der Rückreise erkundet
zu werden. Nach einem neugierigen Gang durch die eher kleine Mall kehren wir bei Barnacle Bill ein und freuen
uns auf Meeresfrüchte und Fisch.

Die erste Filiale dieses Nordsee-Pendants wurde 1970 eröffnet und hat
sich seitdem in Südaustralien sehr gut etabliert. Geschmacklich liegt
dieses Angebot aber deutlich vor der deutschen Variante, die unserer
Meinung nach immer viel zu weich und zerkocht daherkommt. Da wir
hier so viel wie möglich durchprobieren wollen, teilen wir uns einen gro-
ßen Teller Seafoodmix mit einer 1,5 Liter Colaflasche für nur 32 AUD.
Während der genüsslichen Vernichtung von frittiertem Fisch, Schrimps,
Tintenfischringen, Pommes und Frühlingsröllchen beobachten wir mal
wieder die einheimische Bevölkerung und lästern natürlich auch ein
wenig. Besonders fällt uns eine Mutter mit drei Kindern auf, die ihre
Bestellung eingepackt mit nach Hause nehmen wollen und somit auf
die Pakete warten. Die Frau ist für solche Verhältnisse mit einem Trai-

ningsanzug ja noch passend angezogen, aber die 5 bis 8 Jahre alten Kinder tragen schon ihre Schlafanzüge
unter ihren Bademänteln, haben zum Teil nasse Haare und sind entweder in Hausschuhen oder gar barfuss un-
terwegs - im Winter! Für Olga ist das völlig unfassbar, hier scheint es aber keinen weiter zu interessieren.

Als sie Marina nach der Rückkehr in Reynella völlig perplex über diese Kinder berichtet, erzählt sie ihr, dass vie-
le australische Eltern einfach keinen Plan haben, wie sie mit ihren Sprösslingen umgehen sollen und dass man
in den Gemeindezentren sogar Kurse anbietet, wie eine richtige Erziehung auszusehen hat. Das Tragen von
Schlafanzügen oder Bademänteln in der Öffentlichkeit scheint wohl erstaunlicherweise auch bei den Erwachse-
nen keine Seltenheit zu sein. Marina kommentiert solche Sitten mit dem uns schon geläufigen Spruch: "Take it
easy, mate! Who cares?". Entschuldigung, Gelassenheit in allen Ehren, aber bei manchen Dingen ist die Olga
bestens bekannte, strenge sowjetische Erziehung oder die deutsche Gründlichkeit wohl doch nicht so verkehrt.
Selbst beim Einschlafen gegen 23 Uhr beschäftigt sie diese Sitte noch irgendwie mehr als sie sollte ...

 

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