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Mittwoch, 28. Juli
Ein bärenstarker Ausflug

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Wer uns kennt, weiß, dass wir unseren Urlaub selten zum Ausschla-
fen nutzen, sondern lieber den Wecker früh klingeln lassen, um ohne
Hektik so viel wie möglich zu sehen und zu erleben. Das ist bei so
vielen interessanten Orten auf Kangaroo Island natürlich auch nicht
anders. Heute packen wir zudem unseren Teddy mit in den Ruck-
sack, denn auch ein Kuscheltier hat schließlich Recht auf eine Insel-
tour, oder?

Unser Frühstück nehmen wir im Kingscotaer Roger's Deli & Café ein, eine etwas ungewohnte Mischung aus
Deli, Café, Buchladen und Zeitschriftenkiosk. Während wir auf die Bestellung warten, schlendert Olga durch den
literarischen Teil des Ladens und entdeckt eine Zeitschrift mit "hot hicks" auf dem Deckblatt sowie das Taschen-
buch "Diary of a Wimpy Vampire". Letzteres wird gleich als erstes Mitbringsel für unsere vampirbegeisterte
Große gekauft, denn sie liebt die Comic-Roman-Bücherreihe "Diary of a Wimpy Kid" (in Deutschland heißt es
"Gregs Tagebuch") und bei der Namens- und Inhaltsähnlichkeit dürfte ihr auch diese Version gefallen.

 
Wir sprechen beim Verdrücken unserer Leckereien die Tagespläne noch
einmal durch und plötzlich fällt uns auf, dass wir zwar fast alles für den heu-
tigen Ganztagsausflug eingepackt haben, aber die wichtigen Utensilien,
nämlich Info- und Kartenmaterial, vergessen wurden. Zum Glück ist unser
Motel
nur ein Steinwurf von hier entfernt und wir können das Vergessene
noch schnell holen. Ohne diese Hilfsmittel würden wir die heutigen Ziele
Flinders Chase-Nationalpark, das Two Wheeler Creek Wines & The Marron
Café, den Koala Walk und den Cape Borda-Leuchtturm bestimmt nicht fin-
den. Aber genau diese Orte haben uns Marina und Sascha noch vor zwei
Tagen sehr ans Herz gelegt.
 

Bevor wir endgültig zur Westküste aufbrechen, wollen wir uns noch einmal das gestern im Dunkeln besuchte
Pinguin-Territorium bei Tageslicht ansehen. Im Hellen sieht man endlich mal die Größe der gesamten Anlage
und weitere Einzelheiten des Tourweges, aber die eigentlichen Hauptakteure bleiben unsichtbar. Stattdessen
werden wir selbst von zwei Pelikanen auf einem etwas entfernten Mast beobachtet. Diese Vögel gehören eben-
falls zu einer beliebten Touristenattraktion von Kingscote, denn jeden Tag um 17 Uhr gibt es eine öffentliche Füt-

terung. Interesse daran hätten wir zwar auch, aber heute werden
wir das bestimmt nicht schaffen und morgen sind wir um diese
Zeit schon wieder auf der Fähre, wenn nicht sogar schon auf dem
Festland. Schade, aber es warten noch sehr viel mehr Tiere da-
rauf von uns beobachtet zu werden - vielleicht sogar im Rahmen
einer Fütterung.

Der 1919 gegründete Flinders Chase-Nationalpark ist ca. 110 km von unserem Schlafplatz entfernt und erstreckt
sich mit seinen 32600 Hektar fast über den gesamten Westteil der Insel. Wer hier nicht gewesen ist, war defini-
tiv nicht auf Kangaroo Island. Allein hier kann man eine Woche Urlaub verbringen und sich nie am gleichen Platz

aufhalten. Aufgrund unseres straffen Programms, sowohl auf den heutigen Tag,
als auch auf den gesamten Trip gesehen, können wir uns (leider) nur auf einige
von Marina und Sascha wärmstens empfohlene Punkte konzentrieren. Benannt
ist der Park übrigens nach dem in Australien sehr bekannten, britischen For-
schungsreisenden Matthew Flinders, der 1802 mit einer Gruppe Europäer auf der
Suche nach Nahrung an der Ostküste (in der Nähe des heutigen Penneshaw) an-
legte und unter anderem Kängurus jagte - daher auch der Name Kangaroo Island.
Vor 3 Jahren vernichtete hier ein großer Buschbrand über die Hälfte des Waldbe-
standes. Durch die große Population von Koalas in dieser Gegend und dem damit
verbundenen Rückgang von Eukalyptuswäldern, versucht man derzeit mittels ei-
nes groß angelegten Sterilisierungsprogramms die Zahl der Geburten drastisch
zu verringern. Unser Interesse gilt vorrangig dem südlichen Teil des Parks, da sich
dort die Hauptattraktionen der Flora und Fauna geballt auf einem kleineren Gebiet
erstrecken und wir somit die Schönheit der Umgebung nicht nur aus dem Auto
heraus betrachten können.

Wir stellen unser Auto auf dem etwas abgelegenen Parkplatz des Flinders
Chase-Besucherzentrums ab und bezahlen pro Person 9 AUD für die Tageskarte

bzw. die Einfahrt in den Park. Dann bekommt Carsten von der Kassiererin eine Frage gestellt, die er so aus dem
Stegreif nicht beantworten kann: "Wie lautet ihr Nummernschild?". Also noch einmal den halben Kilometer zu-
rück zum Auto latschen, da wir uns diese Informationen natürlich nicht gemerkt haben und hier von den Miet-
wagenfirmen auch keine Fahrzeugpapiere ausgegeben werden. Währenddessen sieht Olga sich die zahlreichen,
touristentauglichen Angebote im Shop an, spürt aber kein Verlangen uns mit Bumerangs, T-Shirts, anderen
Kleidungsstücken, Küchenutensilien oder Schmuck einzudecken. Als dann endlich alle Formalitäten erledigt
sind, fahren wir auf einer ultralangen Straße zum entferntesten Punkt unseres Tourprogramms, Cape du Couedic.

Von Weitem sehen wir einen hellen Leuchtturm mit ei-
ner markanten, roten Kappe. Diesmal aber einen sol-
chen, wie man ihn unter diesem Namen auch erwartet
vorzufinden. Für den Sandsteinbau mit 25 m Höhe hat
man 1909 etwa 2000 Steine von der hiesigen Küste
verbaut. Da zu jener Zeit immer wieder Schiffe auf-
grund der beiden vorgelagerten Felsen, namens The
Brothers, gesunken sind, entschied man sich für den
dreijährigen Bau dieses Leuchtturms, welcher seit
1957 nur noch automatisiert im Dienst ist.

Das Wetter spielt perfekt mit, denn wir werden bei unserer Ankunft am Kap mit Sonne und strahlendblauem Him-
mel inklusive kleiner weißer Cirruswolken begrüßt. Bei einer solch schönen Fotokulisse möchte Olga selbstre-
dend den Teddy mitnehmen, denn sie steht ja nun mal auf Bilder mit unseren Bären. Es ist dann auch egal,
dass wir andere Touristen immer dann zum Schmunzeln bringen, wenn wir unser Fotomodell in Positur rücken.

Über einen Holzsteg werden wir vom Parkplatz zum berühmten Naturschau-
spiel Admirals Arch geleitet und als wir unterwegs an einer Aussichtsplatt-
form anhalten, um den Ausblick zu genießen, bemerken wir, dass sich
manche Felsbocken bewegen. Durch die Tarnung der Neuseeländischen
Seebären
, so heißt diese dunkelgraue Robbenart, ist uns erst jetzt bewusst
geworden, dass nicht nur der Felsenbogen die Touristen anlockt. Es mag
vielleicht wenig schmeichelhaft für diese Kreaturen sein, aber aus der Ferne
ähneln sie stark Olgas Gartenfeinden, den Nacktschnecken. Wir spielen
eine ganze Zeit lang "ich sehe die Robben, die du nicht siehst" und beim
Beobachten wird Olga wieder einmal ein wenig neidisch auf sie. Sich auf

den sonnengewärmten Felsen ausstrecken, nachdem man sich den Bauch vollgeschlagen hat und einfach
nichts tun, erst recht keinen Gedanken daran verschwenden, dass man dadurch zu dick wird, findet sie ehrlich
gesagt sehr verlockend. Zudem sind die meisten Felsen optimal für das Robben von einer Stufe zur anderen ge-
staltet, denn sie sehen zum Teil wie künstlich angelegte Terrassengärten mit Ausblick aus.

Ab da sehen wir die dunkelgrauen Faulpelze eigentlich fast überall an unserem Weg zur Admirals Arch-Platt-
form
. Dieser natürlich entstandene Felsbogen mit bizarr gezackten Stalaktiten ist eine der Stellen, die ein Tou-
rist auf Kangaroo Island auf jeden Fall gesehen haben muss. Es ist schon sehr beeindruckend, was Wasser und
Wind
im Laufe der Jahrtausende erschaffen können. Unterhalb des Felsenbogens sieht man wieder viele Seebä-
ren auf den Steinen liegen und in der kleinen Bucht spielen ein paar von ihnen vergnügt im Wasser miteinander.

Da wir noch mehr Naturwunder dieser Insel erkun-
den wollen, müssen wir leider schon wieder auf-
brechen und gehen zurück zum Parkplatz. Auf
dem Weg zu den Remarkable Rocks (diese Fel-
sen konnten wir sogar schon vom Admirals Arch
aus sehen
) biegen wir noch einmal ab, um einen

Stopp am Weirs Cove einzulegen. Wo sich bis in die 30er Jahre eine Anlegestelle für Schiffe und auf den 90 m
hohen Klippen ein Lager befand, zu der alle 3 Monate Lebensmittel und andere zum Leben benötigte Dinge für
die Familien der Leuchtturmwärter auf Cape du Couedic gebracht wurden, erinnern jetzt nur noch Ruinen an die
alte Zeit. Die Reste des Steinhauses, der Anlegestelle sowie des Weges der Seilwindenvorrichtung vom Meer
bis hier hinauf sind aber noch gut zu erkennen. Der Ausblick auf den Ozean und natürlich das Bombenwetter la-
den auch hier zum Verweilen ein. Die Farben des Wassers, des Himmels und der gesamten Umgebung sind so
intensiv, dass man den Eindruck bekommt, selbst Teil einer Urlaubspostkarte zu sein. Auch von hier aus sehen
wir schon unser nächstes Ziel, die "Bemerkenswerten Steine". Es gelingt uns nur wieder nicht, die vor kurzem
gesichtete Walmutter mit ihrem Kind zu Gesicht zu bekommen, von der man uns heute Morgen in der Touristen-
information erzählt hat. Man kann eben nicht alles haben ...


   

Der Name Remarkable Rocks beschreibt schon im Wesentlichen, was man zu se-
hen bekommt: ein Plateau mit bizarr geformten Felsblöcken. 5 Mio. Jahre Zusam-
menarbeit von Wind, Regen und Salz sowie in der neueren Zeit die Fußspuren von
100000 Besuchern pro Jahr erschafften eine außergewöhnliche Steinformation.
Auch hier führt ein Bohlenweg die Touristen vom Parkplatz zum Ziel. Diese Holzste-
ge baut man hier vorrangig, um der Flora mehr Schutz zu bieten und ein Niedertram-
peln zu verhindern. Zudem sind noch sehr deutlich die Spuren des letzten großen
Buschbrands
von 2007 zu sehen. Erst auf dem Felsenareal kann man sich frei be-
wegen, sogar ein wenig Rumklettern ist in Ordnung. Naja, überall herumlaufen darf
man doch nicht, denn eine farbige Markierung und Hinweisschilder mit verbotenen
Zonen kennzeichnen einen Grenzbereich. Dahinter geht es gefährlich 75 m in die
Tiefe
und so genießen wir die Felsenlandschaft nur innerhalb der zugänglichen Be-
reiche. Vorlage für Fotos und Dinge zum Staunen finden wir hier jedenfalls genug.
Es wirkt alles so unwirklich, denn aus der ganz und gar grünen Umgebung ragt wie
ein umgedrehter Teller nur ein einziges großes, steinernes Plateau heraus, auf dem
kleinere, bizarr gezackte Felsen abgelegt worden sind. Wir betonen "abgelegt wor-
den sind", denn es sieht nicht im Entferntesten wie herausgewaschen aus.

 
Wir sind viel herumgelaufen, knipsten nahezu jeden Winkel, haben bei mancher Formation die Fantasie spielen
lassen (so erkannten wir auch das Gesicht von Orson, dem Schwein aus der Trickfilmserie "Garfield und seine
Freunde") und als Olga einen großartigen Platz zum Hinlegen und Sonnen gefunden hat, musste sie Carsten
sogar zum Weitergehen zwingen. Ein Stein in Form einer Liegeschale wäre im Garten eine wirklich tolle Sache!

 
Aber das nächste Ziel dieses wunderbaren Fleckchens Erde wartete auf uns. Marina und Sascha empfahlen uns
fürs Mittagessen die Besichtigung einer Zuchtfarm für Marrons, recht große Flusskrebse, die nur im Südwesten
Australiens vorkommen und bis zu einem Kilo schwer werden können.

 
Zu berichten, dass die Zuchtfarm Two Wheeler Creek Wines & The
Marron Café in der Nähe unseres derzeitigen Aufenthaltsortes liegen
würde, käme einer glatten Lüge gleich. Wir fahren für dieses Lokal fast
70 km, nämlich von der südwestlichen Spitze in die Mitte der Insel,
doch die Abenteuerlust und tolle Umgebung lässt es wie einen kleinen
Trip aussehen. Wieder einmal legen wir weite Strecken auf einer unbe-
festigten Straße zurück und wirbeln dabei reichlich Staub hinter uns
auf. Für uns kein Problem, aber die Insassen des roten Wagens im
Rückspiegel denken darüber bestimmt anders.

An der Farm angekommen gehen wir zuerst durch eine riesige Halle,
wo in großen Wassertanks die Flusskrebse gezüchtet und je nach Al-
ter von dem einen in einen anderen umgesetzt werden. Unser erklä-
render Begleiter ist zwar ein wenig wortkarg, führt uns aber gerne durch
die verschiedenen Stadien der Tiere und weist auf so manche Beson-
derheit hin. So zeigt er uns unter anderem, dass der männliche Marron
mit zwei Geschlechtsorganen ausgestattet ist und dass auch ein paar
blaue Exemplare dieser normalerweise bräunlichen Tiere in den Pools
zu finden sind. Diese Farbe ist eine nett anzusehende Mutation, doch
beim Kochen werden sie wie die Anderen puterrot und anders schme-
cken sollen sie wohl auch nicht.

Die großzügigen Außenanlagen werden uns leider vorenthalten, statt-
dessen werden wir am Ausgang zu einer kleinen Weinverkostung ein-
geladen, bei der Olga natürlich nicht nein sagen kann. Voller Stolz
reicht ihr der Angestellte dieser Allround-Farm nach drei Weinen noch
einen Likör aus einheimischen Kräutern, wie z.B. Zitronenmyrte. Ihrer
Meinung nach ist die Marke "Two Wheeler Creek" mit gutem Gewis-
sen weiter zu empfehlen.

Nachdem wir so viel über das vielfältige Essen- und Getränkeangebot
erfahren haben, ist es definitiv an der Zeit, das Angepriesene auch zu
sich zu nehmen. Im Restaurant bestellt Olga sich ein Glas Two Whee-
ler Creek-Chardonnay
und einen Teller Marron (insgesamt 6 Hälften),
während Carsten sich mit einem saftigen Steak eher als Fleischliebha-
ber outet. Das Essen ist ausgezeichnet - der Tipp von Marina und Sa-
scha ist Gold wert - und einfach alles, vom Fleisch über die Krebse bis
zum Gemüse und den Kartoffeln, ist unbeschreiblich lecker. Da wir
allerdings außerhalb der Saison und mitten in der Woche hier sind, ge-
hören uns 50% der Aufmerksamkeit des Personals, die andere Hälfte
gilt dem asiatischen Pärchen aus dem roten Auto.

Mit einem ausgezeichneten und in unseren Augen exklusiven Mahl im Bauch, setzen wir uns wieder in den Hy-
undai und nehmen die nächsten 50 km in Kauf: ab geht's zum Koala Walk - der Name klingt vielversprechend,
konnten wir doch erst ein einziges Exemplar in luftiger Höhe sehen. Bis dahin sollen aber erst andere Spezies
der hiesigen Tierwelt unsere Aufmerksamkeit bekommen. Unterwegs haben wir bisher immer wieder weidende
Schafsherden beobachtet und diesmal bittet Olga Carsten anzuhalten, damit sie ein paar Schäfchenaufnahmen
knipsen kann. Dabei hat sie die Rechnung ohne die fotoscheuen Tiere gemacht, denn kaum pirscht sie sich
durchs Unterholz an den Zaun heran, da laufen die noch gerade vor ihr stehenden Schafe mit Karacho davon.

Erst aus beruhigender Entfernung beäugen sie fünf der Wollliefe-
ranten
von einem Hügel und blöken bei jedem ihrer Schritte. Die
lachen sie bestimmt aus! Olga zoomt so gut es geht heran und
kehrt statt mit süßen Bildern eben mit dieser witzigen Geschich-
te zum im Auto wartenden Carsten zurück.

Bei der Weiterfahrt läuft uns im wahrsten Sinne des
Wortes das nächste Tier über den Weg: ein stachelbe-
wehrter Echidna schnauft (wir haben es durchs offene
Fenster gehört) eilig über die Straße. Was jetzt noch
fehlt ist endlich mal ein Känguru, denn schließlich trägt
die Insel ja sogar deren Namen.

 
Kurz vor dem Abzweig zum Ziel bremst Carsten plötzlich scharf ab, setzt zurück - bei den leeren Bundesstra-
ßen hier wirklich kein Problem - und beschwört Olga geheimnisvoll mitsamt der Kamera auszusteigen. Seine
Augen haben nämlich endlich mal das entdeckt, was wir bislang so sehr vermisst haben. Er ist der Meinung ein
großes Känguru auf der Wiese entdeckt zu haben! Als wir vorsichtig näher kommen - denn aus der Schafsache
haben wir gelernt - stellen wir fest, dass das Gesehene nicht allein ist, sondern noch jede Menge von ihnen vor
uns völlig seelenruhig Grashalme kauen. Die haben im Gegensatz zu der Pullovergrundlage von vorhin keine
Angst vor uns und wir können endlich die ersten Fotos von diesem typischsten aller australischen Tiere machen.
 

 
Mit fünf Beinen auf der Erde fressen sie alles Interessante um sich herum ab und hoppeln dann ein paar Meter
weiter. Fünf Beine deshalb, weil der große, muskulöse Schwanz sowohl beim Stehen als auch beim Weiter-
kommen wie ein solches eingesetzt wird - nur bei den federnden, weiten Sprüngen vertrauen sie allein auf die
Nutzung der langen Hinterläufe, der Schweif dient dann der Balance. Für kurze Entfernungen belasten sie im
vorgebeugten Zustand abwechselnd mal die beiden Hinterbeine und mal die Vorderpfoten samt Schwanz, ähnlich
einem Einbeinigen mit Krücken. Obgleich dieses Schauspiels sind wir jedenfalls völlig aus dem Häuschen und
machen Bilder am laufenden Band. Wie auf Bestellung hoppeln dann noch einige der Grasgenießer ganz gelas-
sen davon - ein Bild für die Götter!
 


   

Mit dem lang ersehnten Kängurubildmaterial auf dem Fotochip fahren wir noch die
paar Meter zum Eingang des Koala Walks und stellen unser Auto auf einem Park-
platz ab. Das Hanson Bay Wildlife Sanctuary ist berühmt für seine wildlebenden
Koalas und wir können bestätigen, dass es diesen Ruf auch verdient hat. Man geht
ganz entspannt in einer ruhigen Eukalyptusbaumallee spazieren und muss nur noch
nach oben schauen, um die grauen Fellknäuel zu sehen. Reichen die Augen nicht
aus, können bei der Suche auch die Ohren eingesetzt werden, denn die Tiere kom-
men für ihr kleines oder großes Geschäft bestimmt nicht auf den Boden, d.h. hier
und da plätschert und raschelt es in der Allee. Wir erblicken diese schlafenden Kerl-
chen an den unmöglichsten Stellen, mal eingekauert in Astgabeln, mal mitten auf
einem freihängenden Ast. Wir sind von den verschiedenen Schlafpositionen und
-orten sehr beeindruckt, denn unsereins würde bei solchen punktuellen Popsbelas-
tungen ganz gewiss schon längst auf dem Boden liegen.

Apropos Boden, auch hier ist viel los. Trotz unserer Anwesenheit wuseln viele Pa-
pageien
, Kängurus und Wallabys herum und lassen sich zum Teil sogar anfassen -

wenn auch nur sehr vorsichtig. Ein Wallaby kommt auf Olga zu, um zu sehen, ob sie etwas Leckeres mitge-
bracht hat und hopst davon, nachdem es sich überzeugt hat, dass ihre Hände leer sind. Aber es ist zum Glück
nicht auf sie angewiesen, denn alle Tiere hier werden von Mitarbeitern des Naturschutzgebietes mit Futter in
Form vom Stroh und Körnern versorgt. Ansonsten ist ihr Interesse an Menschen aber auch ihre Scheu recht ge-
ring und so können wir aus nächster Nähe einem Wallaby-Putzritual beiwohnen - wahrlich putzig!

Anfangs sind wir noch fast allein unterwegs, aber Kleinbusse voller Teenager und anderer Touristen lassen leider
nicht lange auf sich warten. Der Eintritt des Refugiums ist frei, es wird lediglich um eine Spende in die "Kasse
des Vertrauens" gebeten. Prompt wird es unruhig auf dem Weg. Die Ahs und Ohs wecken sogar einen Koala
auf, der dann aus irgendeinem unerfindlichen Grund die Flucht auf dem Boden antritt. Da eilen natürlich gleich
quiekende Teenager heran und unser grauer Freund gibt Gas. Wir hätten nie gedacht, dass sie in der Horizon-
talen auf vier Pfoten eine solche Geschwindigkeit entwickeln können, den nächsten Baum hinauf geht es dabei
fast noch schneller. Ist es allerdings Panik oder Geschmacksverirrung, dass sich der süße Kerl ausgerechnet
eine Kiefer ausgesucht hat? Da oben wird er kaum seine einzige Nahrung, Blätter und Rinde von Eukalyptusbäu-
men, finden. Koalas ruhen im Übrigen mit bis zu 20 Stunden pro Tag sogar länger als Faultiere. Grund hierfür ist
der hohe Energieaufwand beim Verdauen der nährstoffarmen und zum Teil giftigen Nahrung. Zudem nehmen sie
nur sehr selten pures Wasser zu sich, wodurch sich auch ihr Name ableitet, der in der Sprache der Aborigines
mit "trinkt nicht" übersetzt werden könnte.

Die nervenden Bustouristen werden uns allmählich zu viel und wir verlassen den ausgetretenen Pfad in Richtung
eines jungen Eukalyptusbaumhains. Hinter dem Dickicht schließt sich eine große Wiesenfläche an, die nicht
nur von den gleichen Gänse wie heute Morgen grasend bevölkert wird, sondern auch von ca. 20 Kängurus, die
sich um einen Strohhaufen versammelt haben. Erst am achten Tag unserer Australienreise können wir zum
ersten Mal das Wappentier der Stadt Adelaide fotografieren und dann aber auch gleich im Rudel. Zunächst sind
alle noch mit gesenktem Haupt kauend beschäftigt, doch als wir uns nähern strecken sie abwechselnd ihre
Köpfe aus der Masse. Während sie uns so ganz genau beobachten, hören sie aber nicht mit dem Fressen auf.
Vielleicht wissen sie, dass der Drahtzaun zwischen ihnen und uns genug Schutz bietet. Jedenfalls können wir
uns ohne Probleme bis auf 5 m nähern und vernehmen ein kollektives Knuspern, welches am ehesten damit zu
vergleichen ist, als wenn wir Cornflakes im regelmäßigen Kaugummikautempo verspeisen. Die sehen so süß
und flauschig aus! Wir gucken insgesamt bestimmt eine halbe Stunde zu und amüsieren uns über jede Einzel-
heit bzw. Entdeckung: dieser kleine Kopf, der wuchtige Körper, der muskulöse Schwanz und natürlich immer
wieder die Schmatzgeräusche ...

Ein Ziel für den heutigen Tag haben wir aber noch und somit müssen wir uns schweren Herzens von dieser Tier-
ansammlung auf dem Koala Walk trennen. Zum Abschluss wollen wir noch den Leuchtturm auf Cape Borda be-
sichtigen. Noch ist es hell und die Entfernung beträgt laut Karte nur ca. 50 km - das sollte zu schaffen sein. Al-
lerdings zieht sich das letzte Stück unbefestigte Straße (ungefähr 30 km) so sehr in die Länge, dass es auf der
Hälfte der Strecke schon schlagartig dunkel wird. Bei unserer Planung haben wir das Detail mal wieder nicht be-
rücksichtigt, dass in Australien Winter ist und es somit früh finster wird. Egal, jetzt ziehen wir den Rest auch
noch durch, denn wo ein Leuchtturm ist, da ist bestimmt auch Licht.

Doch bis dahin sind es noch einige Kilometer und mit dem Abend entwickelt sich die Sandpiste zu einer Party-
meile. Auf einmal kommen alle einheimischen Tierarten aus ihren Verstecken und gehen auf oder über die Stra-
ße spazieren. Natürlich alles mit australischer Gelassenheit und Ruhe. Dann springt kurz vor unserem Kühler
plötzlich ein Känguru aus dem Busch am Straßenrand und nur Dank der guten Reaktion und Vollbremsung von
Carsten konnte es unserem Vorderrad entwischen. Es war am Ende sogar so nahe, dass wir es hinter der Mo-
torhaube nicht mehr gesehen haben. Zum Glück blieb ein dumpfer Schlag aus und auf der Rückfahrt war auch
kein totes Tier an dieser Stelle zu sehen. Also muss der selbstmörderische Hüpfer es doch tatsächlich noch
geschafft haben!

Carsten erfindet daraufhin für die jetzt noch rumwuselnden Viecher den passenden Namen "suicide animals",
denn es ist zu offensichtlich, dass zumindest die Beuteltiere in dieser Gegend keinen Plan haben, wohin sie
eigentlich gehen wollen. Wenn ein Auto auf sie zukommt, laufen sie nämlich nicht weg, sondern kreuzen noch
ganz gelassen die Straße oder entscheiden mitten im Weg, dass sie vielleicht doch lieber umkehren. Wir zu-
ckeln fortan nur noch mit 60 km/h vorwärts, um nicht noch einen Wildschaden am Auto anzurichten. Wo kom-
men eigentlich die ganzen Tiere her, denn gestern war auch im Dunkeln nichts von dieser ganzen Vielfalt zu
sehen? Auch hier hat Carstens prompt eine Antwort parat: die waren alle in Kingscote, denn dienstags ist ja
schließlich Schnitzeltag.

 
Endlich kommen wir am Touristenparkplatz von Cape Borda an. Wir können
vage den Lichtkegel am Himmel sehen, müssen uns aber vorher noch durch
eine Sträucherwand schlagen. Es gibt zwar einen offiziellen Weg, aber von
dem kommen wie irgendwie ab, als wir versuchen, uns mit Hilfe des Blitzlich-
tes der Digitalkamera vorwärts zu bewegen. Trotzdem finden wir einen "Aus-
gang" und haben freien Blick auf das Leuchtturmgelände. Als wir ein paar Me-
ter gelaufen sind, schreckt Carsten plötzlich zusammen, als er mit einem hüft-
hohen Drahtzaun zusammenstößt. Damit haben wir nun wirklich nicht mehr
gerechnet. Wir klettern drüber und sind sehr erleichtert, dass es kein Stachel-
draht ist. Ab da laufen wir Händchen haltend bis zum Gebäude.

Der Leuchtturm soll hübsch, weiß, 10 m hoch und der einzige eckige Turm mit
dieser Funktion in ganz Südaustralien sein. Bestätigen können wir das alles
nicht, denn es ist stockduster und das stetig kreisende Licht der 1000 Watt-
Lampe taucht leider nur die Umgebung hin und wieder in eine Mischung aus
Helligkeit und Schatten. Es ist eine der Szenen, welche Steven King und Kol-
legen gewiss für ihre Horrorgeschichten verbastelt hätten: tiefschwarze Nacht,
das Rauschen des Meeres im Hintergrund, das monotone Knarzen der Dreh-
mechanik und im fahlen Licht erkennt man für Sekundenbruchteile schwach
die Umrisse des ehemaligen Wärterhäuschens - unsere Gänsehaut bildete
sich vermutlich nicht nur wegen des kalten Windes. Es fehlt eigentlich bloß
noch eine spannungsgeladene Hintergrundmusik, die das Nahen eines Zom-
bies oder Vampirs ankündigt.

Nach dieser Gruselbesichtigung gehen wir zurück zum Auto, wohl wissend,
dass mindestens ein Zaun als Hürde zu bewältigen ist. Da Carsten beim Ver-
lassen des Autos das Standlicht angelassen hat, können wir schon das Licht
unseres Wagens durch das Dickicht erkennen und entspannen uns innerlich

ein wenig. Leider zu früh. Von rechts hören wir plötzlich ein Geräusch von brechenden Ästen durch etwas
Schweres und Bewegliches. Da regt sich was! Völlig unverhofft springt direkt vor unserer Nase ein ausgewach-
senes Känguru aus dem Gebüsch und Olga gehen alle Geschichten über die Kraft ihrer starken Hinterläufe so-
wie die Schärfe ihrer Krallen durch den Kopf. Offensichtlich haben wir es mit unserem Gestampfe und Digicam-
Geblitze aus dem Schlaf gerissen und es beschließt diese unruhige Ecke zu verlassen. Zum Glück hüpft es
augenblicklich von dannen und wir beschleunigen unsere Schritte zum schützenden Blech auf Rädern. Dieser
Ausflug ist definitiv ein einmaliges Erlebnis!

Für die 30 km Rückweg auf der unbefestigten Straße brauchen wir
über 40 Minuten, denn im Licht der Scheinwerfer sehen wir ständig
Bewegungen von Kängurus, Wallabys, Echidnas, Possums und
anderen kleinen, felligen Vierbeinern. Auf den 100 km bis Kingscote
via gut ausgebautem Playfort Highway sehen wir zwar wesentlich
weniger Tiere, dennoch fahren wir durchschnittlich nur 80 km/h, um
auch hier einem Wildunfall zu entgehen. Andere, wesentlich unge-
duldigere Fahrer überholen uns ständig mit mehr als 100 km/h, was
endlich mal die große Anzahl toter Tiere am Straßenrand erklärt.
Natürlich fahren die Einheimischen in der Regel auch eher Pickups
oder Allradfahrzeuge, welche mit mehr Bodenfreiheit und einer
wuchtigen Stoßstange, wenn nicht sogar mit einem Bullenfänger,
ausgestattet sind. Mit so etwas kann unser Stadtautochen nicht

mithalten. Hier würde jede Kollision als ordentliche Delle zurückbleiben. Die Überholenden müssen wahrschein-
lich nur ab und an mal das Blut von der Front abspritzen.

Nach 1 Stunde und 40 Minuten erreichen wir die Hauptstadt der Insel, es ist erst kurz nach 20 Uhr, und machen
uns auf die Suche nach einem Restaurant. Leider müssen wir feststellen, dass alles, wo man etwas zu essen
besorgen könnte, bereits geschlossen ist. Aber halt, da vorne hat doch noch ein Italiener auf. Als wir reingehen
erklärt man uns, dass gerade eben die letzte Pizza verkauft wurde und heute bestimmt keine mehr gebacken
werden. Wir schauen uns im Laden um und beschließen, ein paar Getränke, 2 Tüten Chips und eine Auswahl
an Kuchen und Gebäckstücke zu kaufen, um überhaupt irgendetwas zum Abendessen zu bekommen. Mit un-
serer spärlichen Ausbeute geht es zurück zum Motel.

Mit unserem Ersatzmahl werfen wir uns aufs Bett und schalten die Glotze an. Der Tag endet mit einem äußerst
süßen Abschluss, denn bei Kuchen sparen die australischen Bäcker genauso wenig am Zucker, wie die ameri-
kanischen oder russischen. Im Fernseher läuft "Sex and the City - der Film" und wir versuchen unsere bisherige
Abstinenz der Serie mit dieser Zusammenfassung von Geschichte und Charakteren zu kompensieren.

 

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