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Dienstag, 27. Juli
So viele Tiere!!!

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Das Aufstehen in aller Herrgottsfrühe schaffen wir trotz der kurzen Nacht ohne Probleme. Unsere Taschen sind
schnell im Hyundai Getz verstaut und auch unser Teddybär findet noch Platz in Olgas Armen. Auf ein Frühstück
in der Familie haben wir aus Rücksicht verzichtet, um den anderen nicht zu viele Umstände zu machen. Zwi-
schen uns und der Fährenanlegestelle trennen uns jetzt noch etwa 110 km, was bei australischer Fahrweise
ca. 2 Stunden bedeutet. Zum Glück haben wir mit Marinas großartiger Hilfe die Tickets schon vorab reserviert,
damit wird uns ein langer CheckIn erspart bleiben.

 
Das erste Etappenziel ist wie gestern die Fleurieu-Halbinsel, aber diesmal
wollen wir bis an ihre Südwestspitze, um von der Anlegestelle in Cape Jervis
nach Penneshaw überzusetzen. Wir kommen glücklicherweise 30 Minuten
vor der Abfahrt an und stellen uns ganz brav in die bereits entstehende Auto-
schlange, aber leider auch mit knurrenden Mägen, denn unsere Hoffnung,
unterwegs eine Burgerschmiede für die Einnahme eines Frühstücks zu nut-
zen, erfüllte sich leider nicht. Allerdings lenken uns der Ticketkauf an der
Kasse, ein kleiner Spaziergang am Kai und das Beobachten der anderen
Mitreisenden so gut ab, dass das Hungergefühl verdrängt wird. Als die Fah-

rer aufgefordert werden, ihre Fahrzeuge nach und nach in den riesigen Bauch der Fähre hinein zu fahren, bleibt
Olga wie alle anderen Beifahrer draußen stehen und schaut sich das Gewusel an. Carsten ist heilfroh, dass die
Autos vorwärts einfahren und einparken, denn die Einweiser dirigieren mittels hektischer Handzeichen auf Zenti-
meterabständen - für erfahrene Rechtslenker gewiss kein Problem, doch das sind wir ja schließlich nicht wirk-
lich. Da passt sprichwörtlich kein Blatt, oder hier wohl besser kein Buch mehr zwischen die Stoßstangen des
Vorder- und Hintermannes, vom Platz zwischen den Türen ganz zu schweigen.

Olga darf inzwischen als Fußgänger auf die Fähre, hat aber kein Interesse daran, hinter der Verglasung der Ka-
bine zu bleiben und trabt daher auf das obere Deck. Als die Fähre endlich ablegt, entscheiden wir uns, die ge-
samte Fahrzeit auf dem hinteren Deck zu bleiben und die frische Luft zu genießen. Auf der 45-minütigen Reise
durch die ca. 16 km breite Backstairs Passage nehmen wir die Eindrücke der Umgebung wie einen Schwamm
auf: auf Steinen hockende Kormorane, das Treiben der anderen Mitreisenden, eine entgegenkommende Fähre,
das sich immer weiter entfernende Festland der Fleurieu Peninsula und natürlich die immer näher kommende
Küste von Kangaroo Island.

Zwischendurch lästern wir natürlich auch ein wenig über die Menschen um uns herum und ihr Verhalten, ahnen
aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht, dass wir viele der Gesichter noch an verschiedenen Stellen der Insel wieder-
treffen werden. Dabei ist die Insel alles anderes als klein. Wir haben anfangs gedacht, dass wir für ihre Besich-
tigung mit einem Tag auskommen würden, aber die Zahlen lassen vermuten, dass wir am Ende sogar mit unse-
ren drei geplanten Tagen in Zeitnot kommen. Kangaroo Island ist nach Tasmanien im Süden und der Melville-In-
sel im Norden immerhin die drittgrößte Insel Australiens. In Zahlen ausgedrückt heißt das Folgendes: die Ge-
samtfläche beträgt 4405 Quadratkilometer, sie ist 145 km lang, misst an der breitesten Stelle 57 km und an der
schmalsten etwa 900 m, der höchste Punkt ragt 307 m aus dem Meer und knapp über 500 km Küstenlinie lo-
cken nicht nur Badetouristen an. Berühmt ist Kangaroo Island insbesondere für seine unberührte und ursprüng-
liche Natur, denn in den vielen Nationalparks und Wildschutzgebieten leben Tiere und Pflanzen ohne die schäd-
lichen Einflüsse, die Australien in der Vergangenheit so sehr geschadet haben. Durch die Isolation vom Festland
haben z.B. keine eingeschleppten Füchse und Kaninchen das Gleichgewicht durcheinandergebracht und sich
dann explosionsartig ohne natürlich Feinde vermehrt.

 
In Penneshaw angekommen teilen sich unsere Wege erneut, da Cars-
ten das Gefährt aus dem dunklen Fährenbauch befreien muss, wäh-
rend Olga per Pedes auf das Festland gelangt. Als sie von seiner Kur-
belaktion ein Foto machen möchte, stellt sich natürlich ein breiter,
schwarz bekleideter Hintern mitten ins Bild - olle Schnepfe! Naja, zum

Glück hat ihr Körperteil nicht alles verdeckt, aber die Kamera fokussierte eben nicht unser Auto, sondern ihre
vier Buchstaben. Noch innerlich grummelnd stellt sie zudem noch fest, dass sie als Beifahrer mal wieder auf der
falschen Straßenseite warte. Dann geht es ab ins Inselinnere, in der Hoffnung nun doch mal langsam eine Früh-
stücksgelegenheit zu finden.

Bevor wir die anscheinend noch tief und fest schlafende Kleinstadt verlassen, halten wir kurz an der Touristeninfo
an und decken uns ein wenig mit Infomaterial über Nationalparks und geführte Touren ein. Als erstes gilt es aber
das Seaview-Motel in der 60 km Fahrstrecke entfernten Inselhauptstadt Kingscote aufzusuchen, um das gestern
gebuchte Zimmer zu sichern. Da wir uns nicht im Outback befinden, gehen wir stark davon aus, unterwegs end-
lich mal eine Möglichkeit für den Kauf von Nahrung anzutreffen. Wir entdecken aber immer nur tote Tiere am
Straßenrand statt Restaurants oder Supermärkte. Erst dann wird uns wieder bewusst, dass wir ja eigentlich
mitten in der Wintersaison durch touristisches Terrain fahren - auf Urlauber ist man zu der Zeit eben nicht be-
sonders gut eingestellt.

 
Als ein Wegweiser das Nest American River ankündigt, verlassen wir
die Hauptstraße nach Kingscote und hoffen, endlich etwas Essbares
besorgen zu können. War bislang die Straße nach gewohnt deutschem
Standard geteert, ist die Gegend hier schon wieder etwas naturbelas-
sener, was sich durch schlechten oder gar fehlenden Straßenbelag
ausdrückt. Allerdings ist die Umgebung überwältigend. Der Himmel
strahlt in schönstem Blau, das Wasser der Lagune wirkt malerisch
und die Vegetation erstrahlt in saftigem Grün.

Wir fahren in den Ort ein und entdecken einen Minisupermarkt mit
einer einsamen Zapfsäule davor. Zwar sieht das alles für uns irgendwie

nicht sonderlich einladend aus, aber wie heißt es so schön, in der Not
frisst der Teufel Fliegen. Von Innen erinnert das Geschäft an einen ty-
pischen, vollgestopften Tante-Emma-Laden, in dem man auf engstem
Raum nahezu alles bekommen kann, was man in dieser Gegend brau-
chen könnte, angefangen beim Angelzeug, über Dinge des täglichen
Hygiene- und Reparaturbedarfes, bis hin zum Mitnehmkaffee und
-essen. Zwar finden wir keine belegten Brötchen oder ähnliches, aber
mit zwei Donuts und Milchkaffee für Olga sowie Beef-Pot-Pie, eine Art
Gulasch im Teigmantel, und Coke für Carsten lässt sich der Hunger
endlich stillen. Wir machen es uns auf der kleinen Terrasse vor dem
Eingang gemütlich und genießen beim Essen eine wunderschöne Aus-
sicht auf die Lagune.

Trotz des Inselcharakters wirken die Straßen hier genau so endlos wie im Outback, nur mit dem Unterschied,
dass wir viel mehr Grün am Straßenrand vorfinden und Anzeichen von menschlicher Besiedelung entdecken,
denn im Vorbeifahren kann man immer wieder skurrile Briefkästen sehen. Scheinbar alles, was für ein Päckchen
groß genug ist und im eigenen Haushalt nicht mehr gebraucht wird, findet seine Verwendung als Zustellmöglich-

keit. So stehen an Einmündungen von Grundstückszufahrten (die
Häuser sind zum Teil noch kilometerweit entfernt) entlang der Haupt-
straße präparierte und mit Namen beschriftete Waschmaschinen,
Mikrowellen oder mit Klappen versehene Fässer. Die Gemeinsam-
keit mit dem Outback ist aber auf jeden Fall das Vorhandensein von
Tierkadavern, meist Kängurus oder Wallabys, in den unterschied-
lichsten Stadien der Verwesung, vom frisch verendeten Tier bis zum
ausgeblichenen Knochenhaufen. Als wir in Kingscote ankommen,
haben wir aber immer noch kein lebendiges Känguru fotografiert, da-
bei soll es von denen hier nur so wimmeln und Winterschlaf halten
die Viecher ja bekanntlich auch nicht.

Bei der Fahrt zu unserem Motel machen wir noch einen kleinen Ab-

stecher zum Strand und entdecken eine der schönen Ecke dieser Stadt. Wir stellen unser Auto auf einem Hügel
mit Panoramablick über die gesamte Bucht ab und lesen auf einer Infotafel, dass wir uns gerade am Reevers
Point
befinden. An dieser Stelle wurde 1836 die erste europäische Siedlung Südaustraliens gegründet und be-
kam von der South Australia Company den Namen Kingscote verliehen. Begonnen hat das Dorf als Stützpunkt
für Fisch- und Walfang, heute ist die Stadt mit seinen ca. 1700 Einwohnern touristischer Sammelpunkt der Insel.

Jetzt wird es aber wirklich Zeit, dass wir uns im Motel anmelden. Für 95 AUD pro Nacht bekommen wir ein Zim-
mer im Gästehaus mit Gemeinschaftsdusche und -toilette im Außengebäude. Es gibt auch einen gemeinschaft-
lichen Aufenthaltsraum mit Mikrowelle gegenüber unseres Zimmers. Allerdings müssen wir das alles nicht mit
jemandem teilen, denn wir sind die einzigen Gäste in diesem Bereich des Komplexes. Wir dürfen zwischen zwei
Zimmertypen wählen und entscheiden uns für das mit Meerblick und Waschtisch. Die voll ausgestatteten Hotel-
zimmer im Nachbargebäude waren uns bei der Buchung zu preisintensiv und da wir in der Regel eh die ganze
Zeit unterwegs sein wollen, brauchen wir lediglich einen Raum zum Sachenabstellen, Schlafen und Duschen.
Dann reicht auch das Interieur mit Fernseher, kleinem Kühlschrank, Wasserkocher, Waschbecken und - ganz
wichtig um diese Jahreszeit - Heizstrahler vollkommen aus.

 
Wie gesagt, wir wollen hier keinesfalls Wurzeln schlagen und nach
dem kurzen Ausräumen des Autos brechen wir schon wieder zum
nächsten geplanten Ziel auf. An der 50 km entfernten Seal Bay soll
man als Teil einer geführten Tour einzigartige Einblicke in eine See-
löwenkolonie bekommen können. Die einstündige Fahrt zum 1972
gegründeten Seal Bay Conservation Park endet - wie kann es an-
ders sein - erneut ohne Beuteltiersichtung und -schnappschuss,
doch in der Seelöwenkolonie steht dafür der Auslöser unserer Digi-
talkamera nicht mehr still. Schon während des Wartens auf die
nächste Führung erkunden wir das öffentlich zugängliche Gelände
und können die ersten Tiere entdecken. Allerdings nur in der Ferne,
da das Motto des Parks "Observation not interaction" (frei übersetzt:
Beobachten statt Beeinflussen) lautet und eigentlich sogar für ganz
Kangaroo Island gilt. Auf einer Infotafel lesen wir, dass das Strand
und Dünen umfassende Gebiet die Schlafzone (Snooze area) der
Australian Sea Lions ist. Diese Tiere kehren, nachdem sie bis zu
drei Tage im offenen Meer auf Futtersuche waren, immer wieder an
diesen Ort zurück und ruhen sich fast die gleiche Zeit aus. Wird
man nicht ein wenig neidisch auf ihr Leben? 3 Tage am Stück fres-
sen, danach 3 Tage lang ausruhen - klingt doch ganz verlockend,
nicht wahr? Jedenfalls werden deshalb alle Besucher auf den Holz-
wegen oder während einer Führung gebeten, sich leise zu verhalten,
langsam zu bewegen und die Tiere auf keinen Fall zu stören.


 


 

 

 

 

Als es dann endlich soweit ist, kaufen wir im Infohäuschen der Seal Bay die Eintrittskarten
für 27,50 AUD pro Nase und erkennen beim Warten am Eingang innerhalb unserer Gruppe
einige Gesichter von der Überfahrt wieder. Unser Guide erinnert mit seinem Ranger-Outfit
ein bisschen an Walter Reilly aus den "Crocodile Dundee"-Filmen. Er wirkt mit seiner witzi-
gen Art äußerst nett und erklärt alles sehr ausführlich. Wir gehen durch die Dünen zum
Strand und kommen somit den Seelöwen wirklich unglaublich nahe. Am Wasser können
wir aus weniger als 10 m Entfernung beobachten, wie ein älteres Männchen einem jüngeren
beweist, wem das Weibchen gehört und wie eine Mutter mit ihrem Jungen ein Sonnenbad
nimmt. Eben diese Mutter fühlt sich dann durch das Krakelen der beiden Männchen gestört,
watschelt zu ihnen herüber und verkündet lautstark ihre Meinung zu dem Thema. Jedenfalls
sieht es genau danach aus, denn als sie sich wieder zu ihrem Nachwuchs trollt, ist endlich
Ruhe am Strand.

Aber auch an anderen Stellen herrscht Gewusel. Ein paar Tiere kommen aus dem Wasser
und wälzen sich komplett im Sand, sodass sie wie frisch panierte Schnitzel aussehen. Ein
junges Männchen (diese haben dunkleres Fell als die Weibchen) bewegt sich ganz schnell
von der Düne in Richtung Meer und kriecht direkt an unserer Gruppe vorbei. Da unser Guide
keinerlei Aggressivität erkennt, entscheidet er sich für Stehenbleiben und bittet, dass wir
uns ruhig verhalten. Der Seelöwe bleibt wie auf Bestellung nur ein paar Meter entfernt sitzen
und posiert für die wild knipsenden Zweibeiner. Auf den Bildern zeigt sich die Flauschigkeit
des Fells
und selbst die süßen kleinen Schlappöhrchen kann man erkennen, die der Gat-
tung auch den Namen Ohrenrobbe verleihen.

Als das Jungtier im Meer verschwindet, erzählt uns "Walter" noch, dass die australischen
Seelöwen
zu den seltenen Meeressäugetieren gehören, es weltweit wohl nur noch so
ca. 12000 Stück gibt und dass die Population von Seal Bay die drittgrößte auf der ganzen
Welt ist. Danach ist unsere Stunde leider schon vorbei und die nächste Gruppe scharrt
schon ungeduldig mit den Hufen am Infohäuschen. Am Ausgang entscheiden wir uns noch
einmal den öffentlich zugänglichen Pfad abzulaufen, diesmal aber bis zur Plattform am En-
de des 800 m langen Bohlenwegs.

Mit den gerade gehörten Informationen und aus dieser erhöhten Position bekommt man noch einen ganz ande-
ren Eindruck von der Seelöwenbucht - sie ist einfach wunderschön! Zwischen den Sanddünen entdecken wir wei-
tere Tiere und bekommen unterwegs sogar noch den Blick auf ein Walskelett geboten. Von der Plattform aus se-

hen wir den Punkt, zu dem wir vorhin
geführt worden sind und können auch
schon die nächste Gruppe erkennen.
Zurück am Infohäuschen gehen wir noch
kurz durch die Ausstellung, wo u.a. ein
Seelöwenskelett (die haben ja ein be-
achtliches Gebiß!) und natürlich jede
Menge Informationen über den Park,
die Tiere und das gesamte Schutzpro-
jekt gezeigt werden.


 

 

Wir verlassen diesen Strandabschnitt und fahren zur benachbarten
Vivonne Bay, um an der Küste einen Spaziergang zu machen und
den in der Karte eingezeichneten Leuchtturm zu besichtigen. Glück-
licherweise sehen wir auf dem Weg dorthin eine Möglichkeit unser
Auto und bestimmt auch unsere Mägen aufzufüllen. Der Vivonne
Bay Store & Bottle Shop entpuppt sich als kleine Selbstbedie-
nungstankstelle mit zwei Zapfsäulen und der Möglichkeit sich als
Städter zu outen. Zum einen erkannten wir den 60 ct großen Preis-
unterschied zu Adelaide (1,19 AUD) und zum anderen weicht un-
sere Vorstellung vom Selbsttanken noch um eine kleine Nuance ab:
am Tresen fragt der Kassierer uns, was die Tankuhr denn nun ge-
nau anzeigt. Das hat Carsten sich natürlich nicht gemerkt und so
muss er noch einmal hinausgehen und den Betrag ablesen. Wow,
das nennt man Vertrauen! Da an der Wand eine etwas längere Spei-
sekarte hing, nutzen wir auch noch gerne die Gelegenheit etwas zu
essen. Glücklicherweise unterschied sich diese aber vom Buchan-
gebot direkt neben der Kasse: "Roadkill Recipes" (Roadkills sind
diese netten Tierunfallkadaver am Straßenrand), im Angebot Teil 1
mit dem übersetzten Titel "Ein Kochbuch für Besucher von Kanga-
roo Island" und Teil 2 "Australische Tierwelt am Straßenrand". Cars-
ten entscheidet sich für Hähnchennuggets und Pommes, Olga sich
für ein Fischfilet und Pommes - beide Tiergattungen haben wir defi-
nitiv noch nicht am Straßenrand liegen sehen!

Als wir draußen auf der kleinen Terrasse auf das Essen warten, fällt
uns die nächste australische Eigenheit auf. Ein DinA4-Zettel infor-
miert darüber, dass dieser Laden keine Lizenz für den Konsum von
Alkohol hat, weder für drinnen, noch für draußen auf der Veranda.
Wer jedoch gerne Alkohol trinken möchte, möge bitte die etwa 10 m
entfernte Sitzgruppe unter den Bäumen nutzen. Zusammengefasst:
man kann in der Tankstelle Alkohol kaufen, aber das Trinken ist nur
mit ausreichend Abstand zum Gebäude erlaubt! Verkehrte Welt ...
Down Under eben!

Das Essen ist sättigend - nichts Besonderes eben - und nach dem
freundlichen Abschied vom Kassierer, welcher vermutlich der Laden-
inhaber ist, brechen wir wieder zu unserer geplanten Leuchtturmbe-
sichtigung auf.

 
Die Straße zum Strand biegt von der Hauptstraße (von denen gibt es auf
der Insel in Ost-West-Richtung ganze zwei, der Rest sind mehr oder min-
der hergerichtete Nebenstraßen) ab und verdient wahrscheinlich eher die
Bezeichnung Sand- oder Buckelpiste. Selbst bei nur 30 km/h, mehr kann
man hier nicht fahren, hört man pausenlos das Aufschlagen kleiner Split-
steinchen gegen das Auto bzw. den Unterboden. Nun verstehen wir auch
die Warnungen, dass hier bei Regen nur noch ein Fortkommen mit Allrad-
antrieb möglich ist. Unser kleiner Koreaner wäre auf diesen Schlammpis-
ten völlig aufgeschmissen. Und auch das Verbot vieler Mietwagenfirmen,
im Outback und auf Kangaroo Island (wird wirklich explizit genannt) fahren
zu dürfen, leuchtet unter diesen Gesichtspunkten ein.

Aber wir haben es nicht so weit und erreichen den Parkplatz von Vivonne Bay, ab hier geht es nur noch zu Fuß
weiter. Auf dem Weg zum angepriesenen und aus der Ferne schon erkennbaren Leuchtturm lassen wir uns von
einer felsigen Küstenlandschaft ablenken und klettern auf den zerfurchten Felsen herum. Die Oberfläche vieler
könnte sich ganz gewiss gut in eine Mondlandschaft einfügen lassen, so unwirklich, rau und blätterteigartig sind
sie durch die Kraft des Wassers im Laufe der Gezeiten geformt worden. Andere dagegen sehen aus wie überdi-
mensionale Bimssteine, so löchrig und zerfressen, dass man beim Klettern keinen Halt vermutet, ihnen damit
aber Unrecht tut. Die mächtigen Wellen des Ozeans schlagen immer wieder gegen Teile der Felsformationen
und die ganze Szenerie wirkt so natürlich und wild, dass man sich ein wenig wie ein Entdecker dieser Land-
schaft fühlt. Zudem weit und breit keine anderen Menschen zu sehen sind oder Zivilisation zu erkennen ist.

Bevor die Sonne untergeht, wollen wir noch den Leuchtturm errei-
chen und laufen in die Richtung, in der wir schon einen kleinen
Blick auf diesen werfen konnten. Als wir ihn dann wieder hinter
einem Hügel erblicken, vermuten wir eine kleine Sinnestäuschung.
Wir müssen gestehen, dass wir so einen Leuchtturm zum ersten
Mal in unserem Leben gesehen haben, denn aus der Nähe be-
trachtet hat er diesen Namen wirklich nicht verdient. Einigen wir
uns lieber auf die Bezeichnung Leuchtfeuer, denn die überdimen-
sionale Gasflasche mit Leuchte statt roter Plastikkappe misst ge-
rade mal 3 m. Eine kleine Enttäuschung, aber das Panorama und
die Umgebung im wechselnden Licht der untergehenden Sonne
entschädigt für alles. Später erfahren wir, dass die eigentliche
Vivonne-Bucht ein Sandstrandparadies ist und wir uns bei unse-


 


 

rem Ausflug auf Point Ellen befanden. Da haben wir wohl eine kleine Abbiegung verpasst.

Trotzdem wird uns dieser "Fehltritt" durch den beginnenden Sonnenuntergang immer in Erinnerung bleiben, denn
alles sieht so dermaßen romanisch aus, dass es uns schwer fällt, zurück zum Parkplatz zu gehen. Aber wir wol-
len an unserem ersten Abend auf der Insel nicht im Dunklen fahren und setzen uns wieder in Bewegung, zurück
nach Kingscote. Wir entscheiden uns für eine "unsealed road", also unbefestigte Straße, um das typisch austra-
lische Freiheitsgefühl kennenzulernen. Roter Sand als Piste, der durch den Sonnenuntergang noch farbenpräch-
tiger wirkt, begleitet von den typisch gelben Hinweisschildern und üppiger Buschvegetation rechts und links, so
geht es die nächsten 20 km durch eine Gegend, die uns stark an den Outback-Trip vor ein paar Tagen erinnert.

Plötzlich bremst Carsten völlig unerwartet ab und setzt den Wagen einige Meter zurück. Auf Olgas verblüffte
Frage, was denn genau passiert ist, gibt er nur zur Antwort: "Ich habe dort etwas gesehen, was sich bewegt!".
Damit ist natürlich auch ihre Neugier entfacht. Sie springt mit der Kamera aus dem Auto und sieht zwei Echid-

nas, die uns ebenfalls bemerken und sich nun unsichtbar
machen möchten. Olga hat über diese Tiere, im Deutschen
auch Schnabel- oder Ameisenigel genannt, schon im Bio-
logieunterricht in der Schule gestaunt, denn sie sind wie
das Schnabeltier eierlegende Säugetiere. Gleichzeitig ist
für sie fast unvorstellbar, wie alt diese Gattung schon auf
der Erde weilt. Sie sehen aufgrund der Stacheligkeit und
des Einrollverhaltens wie überdimensionale Igel aus, aber
verwandt sind die beiden Tierarten dennoch nicht. Jetzt fällt
ihr auch auf, dass wir eigentlich nie einen überfahrenen
Schnabeligel am Straßenrand gesehen haben, doch als
Olga sie anfasst, weiß sie warum die Autofahrer bei ihnen
lieber ein Ausweichmanöver als die Kollision bevorzugen.
Die Stacheln sind recht lang, äußerst hart und für Auto-
reifen bestimmt nicht ganz ungefährlich.

Die beiden Exemplare vor uns rollen sich nach unserem
Eintreffen sofort ein und recken uns kämpferisch ausge-
richtet die Stacheln entgegen, doch während eines noch
hartnäckig mit dem Kopf nach unten gebeugt bleibt, reckt
Nummer zwei schon kurz danach neugierig seine lange
Nase in unsere Richtung. Olga ist, wie schon zur Jugend-
zeit, fasziniert von dieser Gattung und kann Carsten mit
Namen und Einzelheiten in Staunen versetzen. Der engli-
sche Name Echidna entspricht in etwa dem russischen
Pendant und geht auf eine Figur der griechischen Mytholo-
gie zurück. Dieser Mischung aus schönem Mädchenober-
körper und Reptilienunterbau wird laut Wikipedia (Eintrag
"Echidna (Mythologie)") auch als "Mutter zahlreicher Unge-
heuer" beschrieben. Die ersten Europäer müssen sich bei
der Sichtung des eigenartigen Wesens wohl genau an

diese Sagengestalt erinnert haben und gaben dem Igeltier mit großer Schnauze den bis heute benutzten Namen.

 
Wir lassen die beiden nach einem kurzen Fotoshooting in Ruhe
ins Dickicht weiterziehen und fahren ohne weitere Zwischenfälle
und bei einsetzender Dunkelheit zurück nach Kingscote. An der
Rezeption des Motels erkundigen wir uns, wo man hier gut zu
Abend essen könne und die Empfehlung führt uns ins familienge-
führte Hotelrestaurant Queenscliffe, nur ein paar Gehminuten ent-

fernt. Die Fassade mutet viktorianisch an, es ist hell beleuchtet und sehr einladend. Leider ist dienstags im Res-
taurant Schnitzeltag und um 18 Uhr bekommt man ohne Reservierung auf keinen Fall mehr einen Tisch. Als Al-
ternative bietet man uns an, in der hauseigenen Sportsbar Platz zu nehmen, denn die Restaurantspeisekarte gilt
auch hier - nur die Atmosphäre sei eben etwas anders. Was das auch immer bedeuten mag, wir sind hungrig
und wollen vor dem nächsten Planungspunkt die Bäuche füllen.

Und was genau sind nun die Unterschiede? Statt eines Tisches mit Stühlen können wir nur an einem Stehtisch
speisen, in dem Bar- und Spielraum ist der Geräuschpegel aufgrund von Fernsehern mit Sportübertragungen,
Billardtischen und Dartscheiben etwas lauter, das Essen sowie die Getränke bestellt man an der Theke und
man muss alles im Voraus bezahlen - damit können wir natürlich ohne Probleme leben. Carstens Versuch den
Zahlbetrag für unser Essen aufzurunden, wird von der Dame hinter der Bar etwas misstrauisch beäugt, denn ei-
gentlich gibt man in Australien kein Trinkgeld. Das hat natürlich Vor- und Nachteile. So muss man eben nur das
bezahlen, was in der Karte ausgewiesen ist und rechnet nicht noch etwas drauf, allerdings fehlt den Servicekräf-
ten hier leider auch der Antrieb, sich etwas mehr als normal um die Gäste zu kümmern. Was das bedeuten

 

 

 

kann, sollte sich auch gleich an einem praktischen Beispiel zeigen.
Um uns herum stehen weitere Bistrotische und direkt neben uns
versammelten sich sechs junge Leute, die sich natürlich alle ein
Schnitzel bestellt haben. Die Größe der gereichten Fleischbrockens
kann getrost als riesig bezeichnet werden und entsprechend groß
sind eben auch die Teller. Ergo stehen da nun sechs große Platten
samt Getränke auf einem kleinen, runden Stehtisch und es passier-
te, was passieren musste: ein Teller rutscht von der Tischkante und
fällt herunter. Hier trennt sich nun das Verhalten einer Trinkgeld er-
wartenden Bedienung zu der hier vorhandenen, denn die Reaktion
der Dame hinter dem Tresen auf dieses Missgeschick ist lediglich
die Frage zum bedröppelst Dreinschauenden: "Was it your schnit-
zel?". Keiner der beiden Bediensteten zeigt Anstalten einen Lappen
zu reichen oder irgendetwas zum Aufräumen des Ungeschicks bei-
zutragen. Warum auch, es gibt dafür ja nichts extra ... Marina hat
uns davon zwar schon öfters berichtet, nun sehen wir es mit eige-
nen Augen. Erst auf Anfrage wuselt man hinter der Bar und sucht
Dinge zusammen, die dem Gast (!) beim Saubermachen dienlich
sein könnten.

Carstens Schnitzel ist übrigens ebenfalls riesig und könnte auch
mit "Fleisch auf Fleisch auf Pommes" beschrieben werden. Auf den
Pommes thront ein Schnitzel, auf dem wiederum eine dicke Schicht
aus Bacon, Ham und viel Käse verteilt ist. Mit dem Stapeln haben
die es hier, denn auch Olgas landestypischer Beef-Pot-Pie quillt
aus dem gusseisernen Töpfchen heraus und doch wird noch eine
Art Blätterteigbrötchen oben draufgelegt. Beschweren wollen wir
uns auf keinen Fall, denn es ist sagenhaft lecker - nur aufessen
kann sie ihre Portion aufgrund der Menge nicht.

Es folgt eine weitere erstaunliche Eigenart der Aussies, denn kurz
nach 20 Uhr werden alle Gäste gebeten die Sportsbar zu verlassen,
Feierabend. Unsere Überraschung kann sich bestimmt jeder gut vor-
stellen, aber im Winter passiert in den Urlaubsgebieten von Südaus-
tralien nicht besonders viel und daher schließt das Gros der Gastro-
nomiebetriebe um diese Zeit schon ihre Pforten. Das ist auf jeden
Fall sehr familienfreundlich für die Angestellten, aber auch kunden-
freundlich? Wir stellen uns einfach mal einen Spanier vor, der es ge-

wohnt ist, erst gegen 21 Uhr an ein Abendessen in Restaurants zu denken. Wir glauben, hier würden die armen
Iberer schlicht und einfach verhungern.

Für uns ist das jedoch geradezu ein perfektes Timing, denn so kommen wir auf jeden Fall pünktlich zur geplan-
ten, nächtlichen Pinguinbesichtigung in Beare Point. Die nächste geführte Tour beginnt um 20:30 Uhr und wie

gewohnt darf die Kolonie der Zwergpinguine nicht ohne Führung betreten werden,
um die Tiere nicht zu stören. Wir sind sogar etwas zu früh und gehen deshalb vor-
her noch zum naheliegenden Pier, lauschen dem Plätschern der Wellen und tau-
chen ein in eine romantische Vollmondnacht mit leicht bewölktem Himmel. Das
Wasser wirkt tintenschwarz und in Olgas Kopf tauchen jede Menge gelesene, ge-
hörte oder gesehene Gruselgeschichten auf. Mit diesen Hintergedanken zuckt sie
natürlich völlig zusammen, als bei unserem Kaispaziergang im schwachen Licht
eine kleine Gestalt vor uns superflink den Weg überquert und sich ganz geschickt
in einem Steinhaufen versteckt. Auf der anderen Seite des Weges hören wir dann
eine Art Schnattern und Gequieke, welches wir zuvor immer nur Möwen zugespro-
chen haben. Aber als wir die ungefähre Quelle dieser Beschallung ausmachen,
wissen wir natürlich, dass sich Möwen wohl kaum im dichten Geäst eines Bu-
sches verstecken. Es müssen also mehrere Pinguine dort drin sein, nur sehen
können wir aufgrund der Nachtschwärze nichts.

 
Wir kehren zurück zum Kangaroo Island Penguin Centre, wo wir auf ein weiteres wartendes Pärchen treffen. Ge-
sehen haben wir die beiden schon heute Morgen auf der Fähre und im Laufe der Tour erfahren wir, dass sie aus
Italien sind. Ein paar Minuten später werden wir in das Infocenter hineingelassen und bekommen anhand der
aufgestellten Salzwasseraquarien einen ersten Einblick in die hier vorkommenden Meeresbewohner, wie z.B.
Kugelfisch, Hummer und Seepferdchen. Danach holt uns eine nette Frau ab und wir zwei Pärchen beginnen un-
seren Ausflug in die Welt der Zwergpinguine. Da sie als nachtaktive Tiere natürlich sehr empfindliche Augen ha-
ben, darf man nicht mit handelsüblichen Taschenlampen herumleuchten oder gar mit Blitzlicht fotografieren. Da-
für hat unsere Führerin eigens einen Rotlichtstrahler in der Hand, mit dem die interessanten Stellen ausgeleuch-
tet werden. Sie erzählt uns, dass diese Pinguine farben- bzw. rotblind sind und somit während ihres nächtlichen
Alltags nicht so sehr durch das rote Licht gestört werden. Sie nehmen uns allerdings schon wahr, denn sie ver-
fügen über ein ausgezeichnetes Gehör. Wenn die Besucher sich langsam bewegen und leise sprechen, fühlen
sie sich dennoch nicht gestört. Da haben wir wieder das allgemein geltende Motto "Observation not interaction".

Wir erfahren, dass tagsüber fast alle Tiere der Kolonie im Meer auf der Futtersuche sind, nur die Jüngsten blei-
ben in den zahlreichen kleinen Höhlen oder Nistkästen versteckt zurück. Dies ist die einzige Pinguinart, die bei
Dämmerung an Land geht. Da die Brutzeit an keine Jahreszeit gebunden ist, gelingt es uns sogar einige Jung-
tiere zu beobachten. Nach dem Schlüpfen dauert es ca. 6 Wochen bis sie flügge werden und selber zum Fi-
schen ins Meer schwimmen. Mit der leicht chaotischen Mischung aus Federn und Daunengefieder sehen für uns
die "Teenager" am putzigsten aus. Ausgewachsen werden Zwergpinguine, im Übrigen die kleinste Art dieser Fa-
milie, ca. 40 cm groß und wiegen gerade mal ein Kilogramm. Man ist in Kingscote besonders stolz auf diese
Kolonie, da das Hauptverbreitungsgebiet eigentlich Neuseeland ist und es nur wenige Brutplätze auf dem aus-
tralischen Kontinent gibt. Zudem ist dies die einzige Pinguinart, die in Down Under Jungen zur Welt bringt.

Anders als bei der Robbenführung gelingen hier natürlich obgleich der Lichtverhältnisse leider nur wenig vorzeig-
bare Fotos. Aber die einstündige Tour ist auf jeden Fall das Geld und den Ausflug wert, denn wann kommt man
solchen Tieren schon mal so nahe? Pinguine galten für uns bis dato immer nur als Zoo- oder Tiere aus Gebieten
mit Eisvorkommen. Zudem bemühte sich die nette und auskunftsbereite Führerin, uns äußerst ausführlich das
Leben der Frack tragenden Wasservögel nahe zu bringen.

 
Das letzte Ziel dieses Tages steht an:
unser Motel und das sich darin befind-
liche weiche Bett. Im Zimmer zappen
wir noch kurz durch die australische
Fernsehlandschaft und fallen nur ein
paar Minuten später todmüde und voller
unvergesslicher Eindrücke in einen tie-
fen Schlaf. Wovon wir wohl geträumt ha-
ben ... Robben ... Pinguine ... Kängu-
rus ... seltsam aussehende Igel ...

 

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