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Samstag, 24. Juli
Mit Wasser, Äpfeln und Minties durch die Wüste

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Ein langes Ausschlafen ist auch an diesem Tag nicht geplant, denn wir haben uns zwei große Touren vorgenom-
men. Doch zunächst ruft das Frühstück. Der kleine Tisch in der Gemeinschaftsküche bietet zwar genug Platz
für uns fünf, aber leider nicht mehr für weitere Gäste, weshalb wir uns ein bisschen bei der ersten Mahlzeit des
Tages beeilen müssen. Aber es fehlt an nichts. Im Kühlschrank liegt für alle Gäste genug Wurst, Käse und süße
Aufstriche, auf der Ablage kann man sich zwischen diversen Backwaren entscheiden und bei der Cornflakes-
bzw. Müsliauswahl ist auch an Kinder gedacht worden. Der Abwasch gestaltet sich dann wie zu ehemaligen Ju-
gendherbergszeiten ... alle müssen ran und jeder kümmert sich um sein benutztes Zeug.

Als wir im wahrsten Sinne des Wortes aus der Höhle kriechen, bietet sich ein supertolles Panorama mit einem
strahlendblauen Himmel über roter Erde, angenehmem Sonnenschein und eine weitere uns unbekannte Norma-
lität aus dem Outback-Leben: auf dem Parkplatz steht ein Geländewagen mit einer riesigen Antenne an der
Stoßstange. Offensichtlich sind weitere Übernachtungsgäste noch wesentlich länger als wir in der Wüste unter-
wegs und in dieser Einsamkeit ist ein halbwegs vernünftiger Empfang wirklich enorm wichtig. Natürlich funktio-

niert da draußen kein Handy - wir konnten ja nicht mal Radio empfangen -
und deshalb ist die einzige verlässliche Kommunikationsmöglichkeit der
gute, alte, analoge CB-Funk. Auf der Fahrt haben wir immer wieder Relais-
stationen gesehen, die somit selbst abgelegene Regionen abdecken kön-
nen. Alternativ gibt es wohl auch eine Telefonversorgung, denn wir sahen
unterwegs auch Schilder mit Texten, wie z.B. "Next Public Phone 84 km".
 

Wieder auf Schusters Rappen (Coober Pedy ist nicht besonders groß)
gehen wir diesmal in die andere Richtung als gestern Nachmittag und
steuern das Ziel Old Timers Mine an. Dies ist aber mehr als ein einge-
staubtes Gebäude voller Vitrinen. Ab 1916 wurde in dieser Grube noch
mit allen Kräften nach Opalen gesucht. Schnell entstand ein recht an-
sehnliches Gangsystem, welches aber immer wieder aufgegeben, zu-
geschüttet und erneut in Betrieb genommen worden ist. Wie gesagt,
Opale kündigen sich nicht durch bestimmte Indizien an und so hört
man oft die Geschichte, dass mit einer Suche aufgrund Erfolglosigkeit
aufgehört worden ist und bei der Wiederaufnahme nach Monaten und
Jahren nur wenige Zentimeter weiter ein großer Fund vermeldet werden
konnte. Bei der Old Timers Mine liegen zwischen einer solchen Still-


 


 

legung und Wiederentdeckung sogar einige Jahrzehnte, denn als man 1968 durch Zufall auf die alten Grubenhöh-
len bei der Erweiterung einer unterirdischen Wohnung stieß, fand man zugleich eine sehr wertvolle Opalader.
Auch heute ist die Mine wieder stillgelegt und ein Schild am Eingang informiert den Touristen über das Portfolio:
eine "self guided" Tour, drei Opalfunde im Originalzustand, ein Schau-Dugout aus alten Tagen und natürlich die
üblichen Shops und Hotelangebote.


 

 

Zuerst nutzen wir aber das Angebot einer Live-Demonstration wie
heutzutage mit maschineller Unterstützung nach Opalen gesucht
wird. Dazu werden wir auf einen Platz neben dem Gebäude geführt
und unser Blick fällt auch auf diverse Requisiten aus Filmen, die in
den 70ern und 80ern in dieser Gegend gedreht wurden. So z.B. das
Heckleitwerk eines Propellerflugzeugs, welches sich in die Erde ge-
bohrt hat, und eine Raketenattrappe. Pünktlich zur angegeben Vor-
führungszeit um 9:30 Uhr erscheint ein etwas rundlicher, bärtiger
Mann und zeigt uns die wichtigsten Handgriffe bei der Opalsuche.
Zuerst wirft er für uns unter großem Getöse eine kleine "tunneling
machine
" an, welche sich mit einer drehenden Bewegung der Frä-
seneinheit waagerecht in den Fels frisst. Sehr beeindruckend! Die
zweite Maschine ist schon etwas größer und kann mit den Worten
"Riesenstaubsauger auf LKW" beschrieben werden - in der Fach-
sprache ist der Begriff "blower" allerdings gebräuchlicher. Das Prin-
zip ist aber sehr einfach: mit einem Rüssel wird das gelockerte Ge-
stein in mehreren Schritten senkrecht aus dem Loch bis zu einer
Tiefe von 30 m weggesaugt (ähnlich arbeiten mittlerweile auch Bau-
trupps in Deutschland an kleineren Ausschachtungen, die nicht mit
dem Bagger getätigt werden können). Dieses Material sammelt sich
in einer etwa 5 m über der Erde hängenden Trommel am Ende des
Lastwagens und kann über eine Klappe abgeladen werden. Nun
muss der Schürfer mittels Augenmaß und Schwarzlichtlampe den
so immer größer werdenden Haufen nach den begehrten Opalen ab-
suchen. Dieser Vorgang wird immer wieder von vorne durchgeführt,
bis das Loch zu tief, die kegelförmige Abraumhalde zu hoch oder
die Geduld des Opalsuchers am Ende ist. Dann zieht man innerhalb
seines vorher festgelegten Claims weiter und versucht sich an ande-
rer Stelle. Im Laufe der Zeit sind so schon mehrere Millionen Löcher
mit einem Durchmesser von bis zu 1 m und einer Tiefe von 30 m in
und um Coober Pedy entstanden, die sogar als kleine schwarze
Punkte bei Google Earth zu erkennen sind. Heute darf innerhalb der
Stadtgrenzen aus verständlichen Sicherheitsgründen nicht mehr
gesaugt werden, aber im Rahmen der zweiten Tour werden wir noch
zu solchen Sperrgebieten gefahren - ein Besuch auf eigene Faust
dorthin ist zu gefährlich ("Danger: deep shafts / unmarked holes")
und wird natürlich von den Claimbesitzern nicht gerne gesehen, man
könnte ja selbst was finden und das entwenden.

 
Zurück zur Demonstration des Blowers. Nachdem auch diese riesige Gebläsevorrichtung mittels Generator ange-
worfen wurde, darf jeder einmal den entstehenden Sog am eigenen Leib erfahren. Dazu heben die Anwesenden
Steine auf, halten sie nacheinander an das Rohr und sollen sogar mal den Arm hineinstecken. Selbst große,
schwere Brocken verschwinden mit einem schlürfenden Geräusch im Rüssel und poltern ratzfatz in die Auffang-
tonne.

Nach dieser zwar kurzen, aber dennoch recht beeindruckenden Vorführung gehen wir ins eigentliche Museum,
zahlen brav den Eintritt und holen uns die vorgeschriebenen Schutzhelme ab. Mit einem Begleitzettel bewaffnet
muss man sich nun anhand der aufgedruckten Karte und überall verteilten Zahlen von 1 bis 50 inklusive kurzer
Erklärungen durch das Labyrinth orientieren. Wir bekommen das Faltblättchen sogar in Deutsch, wobei diese

Übersetzung um Längen besser ist, als die vergleichbaren Schrift-
stücke, welche wir in Spanien oder in der Türkei in die Hand gedrückt
bekamen. Mal aufrecht, mal gebückt laufen wir durch die historische
Opalgrube
, in der man vor 100 Jahren nur mit Pickel, Schaufel und ei-
ner handbetriebenen Seilwinde für den Abtransport des Abraums ge-
graben hat. An den Wänden gibt es allerlei Erklärungstafeln auf Eng-
lisch
und man bekommt einen wirklich guten Einblick in das Leben der
damaligen Opalsucher vermittelt. Die Beleuchtung ist heutzutage aller-
dings bedeutend besser als damals, denn mit Kerzenlicht statt Glüh-
birnen hätten wir wohl nicht sonderlich viel erkannt. Außerdem dürfen
wir einen bequemen Eingang mit Treppe benutzen und müssen nicht
durch den ursprünglichen, schmalen Schacht von oben herabsteigen.


 


 

 
Wie bereits erwähnt, grenzt die historische Mine an ein großes Sys-
tem von Dugouts. Dieses Höhlensystem erinnert fast an eine unterirdi-
sche Stadt, denn es gibt nicht nur den Schlafraum der Eltern und das
Schlaf- und Spielzimmer des Kindes, sondern gleich nebenan auch
noch ein kleines Postamt und das Behandlungszimmer einer Zahnarzt-
praxis
. In diesen und weiteren Ausstellungsräumen werden dem inte-
ressierten Besucher in Alkohol eingelegte, gefährliche Tieren (u.a. die
Red-Back Spider ... nur so klein ist die gefährlichste Spinne Austra-
liens?), versteinertes Holz, Gypsum (= Fasergips, eine Vorstufe der
Opalisierung), Fossilien und natürlich Opale in diversen Ausführungen
(auch kleine Adern, die noch in der Wand stecken) gezeigt. Das Schild
am Eingang hatte eben nicht zu viel versprochen.

 

 

 

 

 

 

Ausgestattet mit so viel Wissen über
diese seltenen Steine und deren Schürf-
methode fängt Olga im "Sandkasten"
vor dem Museum gleich an nach Opa-
len zu suchen - in der Fachsprache wird
dieser Vorgang "noodling" genannt. Tim
macht auch mit und wir werden tatsäch-
lich fündig, doch unsere Ausbeute ist
erwartungsgemäß recht überschaubar.
Reich werden wir beide durch diese

Splitter bestimmt nicht, aber dafür haben wir viel Spaß dabei gehabt. Die Zeit rückt näher für die große Tour
durch und um Coober Pedy. Aus diesem Grund wandern wir auf menschenleeren Straßen wieder zurück ins
Zentrum, denn nur von dort startet um 13 Uhr die fast 4-stündige Radeka's Downunder Desert Breakaways Tour.

Bis der Kleinbus abfährt bleibt allerdings noch ein bisschen Zeit für die Besichtigung einer unterirdischen Kirche,
der Saint Peter & Paul's Catholic Church, ganz in der Nähe des radekaschen Büros. Der Raum oder besser ge-
sagt die Höhle ist ca. 2,50 m hoch und bietet Sitzplätze für ca. 50 Personen auf roten Kunstlederstühlen statt
hölzernen Kirchenbänken. Ursprünglich ist sie wohl mal als Gottesraum für alle christlichen Religionen gebaut
worden, aber in den späteren Jahren entstanden weitere, auf eine Glaubensrichtung spezialisierte Dugouts, wie
z.B. eine serbisch-orthodoxe Kirche.


 

Viel gibt es hier drinnen aber sonst nicht zu sehen und es bleibt uns
immer noch eine Viertelstunde, die wir mit einem Bierchen an der
Bar von Radeka's Downunder verbringen. Carsten, nicht gerade als
Biertrinker bekannt, entscheidet sich für ein Sonnenbad vor dem
Hauseingang
. Wie das? Ist doch klar, der australische Winter unter-
scheidet sich in unseren Augen kaum von einem durchschnittlichen
deutschen Sommer ... nur, dass es hier zudem noch viel weniger
Niederschlag gibt.

Als der kleine weiße Bus pünktlich startklar ist, begeben wir uns in
die Hände eines weißen Mannes mit grauem Bart, weißer Hose,
weißem Hemd und weißem Hut. Sorry, ein klein wenig erinnert er
an Gandalf den Weisen aus der "Herr der Ringe"-Trilogie. Aber er
weiß sein Publikum (mit uns sind noch 12 andere mit an Bord) zu
unterhalten und zum Lachen zu bringen. So werden wir z.B. bei je-
dem Stopp mit der höflichen Aufforderung rausgelassen, bei seinen
mitgebrachten Äpfeln und den typisch australischen, weiß und har-
ten Lutschbonbons zuzulangen: "... and don't forget the apples and
minties!"

Unser erster Halt führt uns in eine weitere unterirdische Kirche die-
ses Ortes, The Catacomb Church, zufälligerweise genau neben un-
serem Motel - aha, daher der Straßenname (s.o.). Diese anglikani-
sche Kirche gibt es erst seit 1977 und ihren Namen hat sie laut Info-
tafel aufgrund der Katakomben im alten Rom erhalten, wo Christen
damals ihre Toten begraben haben. Die Ausstattung des Gotteshau-
ses überrascht uns insofern, dass hier auch ein, für die Ganzkörper-
taufe eines Erwachsenen ausreichend großes Taufbecken integriert
ist. Die Kirche ist insgesamt größer und breiter als ihre katholische
Schwester, die Plastikstühle hier sind vorrangig dunkelblau und die
Ausstattung ist insgesamt recht schlicht gehalten. So besteht z.B.
der Kommunionstisch bzw. Altar eigentlich nur aus sich gegenseitig
stützenden Stämmen des hiesigen Mulgabaumes (eine Akazienart)
mit Platte und einer darunter aufgestellten Tonne einer Grubenwinde.

Nicht gerade etwas, was man in einem Gotteshaus zu sehen erwartet.

Nach der Besichtigung transportiert uns der Bus weiter durch die Straßen von Coober Pedy. Nun werden wir mit
jeder Menge Informationen zugeschüttet - das soll aber auf keinen Fall abwertend gemeint sein. Die Gegend hier
ist bei Dreharbeiten für Filme, in denen es um Leben im Weltall oder einer Situation nach der totalen Zerstörung
der Erde geht, sehr beliebt. Genannt werden dabei unter anderem folgende Filme, die in dieser traumhaft kargen
und dadurch außerirdisch anmutenden Umgebung entstanden sind: "Pitch Black - Planet der Finsternis",
"MadMax 3 - Jenseits der Donnerkuppel", "Red Planet" und "Kangaroo Jack". Wenigstens ein paar davon haben
Olga und Carsten schon einmal gesehen, doch bis auf das ausrangierte Raumschiff aus "Pitch Black" konnten
wir nichts wiedererkennen.

Unterwegs erzählt unser Fahrer u.a. von der Bedeutung und dem vielfältigen Gebrauch der Blower, denn diese
sind zu einem unübersehbaren Wahrzeichen von Coober Pedy geworden. So wird diese Maschine nicht nur zum
Absaugen von Abraum eingesetzt, sondern auch beim Arbeiten unter Tage, um die große Menge an Staub, z.B.
nach Sprengungen, schnellstmöglich aus den Gängen zu bekommen. Das gesamte Maschinen-Equipment wird
mit einem starken Dieselmotor, einem Turbinenrad und der angehängten Tonne zum Auffangen ergänzt. Da das
Ganze auf einem kleinen LKW montiert ist, kann man jederzeit einen hoffnungslosen Suchplatz verlassen und
sein Glück an einer neuen Stelle versuchen. Die Opalsucher finden diese Erfindung so toll, dass man schon das
Ortseingangsschild damit geschmückt hat.

Wir fahren nun auf der Hospital Road am hiesigen Krankenhaus vorbei. Das Haus hat immerhin 20 Betten, bietet
eine 24-Stunden-Notaufnahme und beschäftigt insgesamt 3 Ärzte. Da in Coober Pedy 57% der Einwohner Abo-
rigines sind, hat man für sie ein eigenes Gesundheitszentrum eingerichtet, um eine medizinische Versorgung
nach ihren speziellen Welt- und Wertevorstellung zu garantieren und ihre Besonderheiten bei der Heilung zu be-
rücksichtigen.

 
Bei der Rundreise durch den Ort stellen wir immer wieder fest, dass die Leut-
chen hier sehr viel Fantasie und handwerkliches Geschick bei der Gestaltung
ihrer Umgebung aufwenden. So sieht z.B. ein ganz normaler Wassertank wie
ein UFO
aus - und das schon seit 1922. Das "Bauwerk" ist so markant, dass
nach ihm sogar die ganze Straße benannt wurde: Old Water Tank Road. Eine
weitere Besonderheit ist ein Baum der niemals Blätter trägt, da er aus zusam-
mengeschweißten Eisenteilen besteht. Allerdings nicht aus künstlerischen
Gedanken, sondern einfach aus der Not heraus, da drei Kinder ihren, aus Ita-
lien eingewanderten Vater, um eine Klettergelegenheit gebeten haben, wie sie
sie aus seiner Heimat kennen. So entstand der wohl erste Baum in ganz Coo-
ber Pedy. Ein weiteres Wahrzeichen des Städtchens ist unbestritten The Big
Winch - eine überdimensionale Seilwindenkonstruktion, die allerdings so groß
ist, dass sie wohl niemals zur Förderung von Gütern gebaut wurde. Jetzt steht
sie gut sichtbar auf einem Hügel und verkörpert perfekt den Geist dieser Ge-
gend. Auf der Fahrt durch die St. Nicolas Road erfahren wir, dass wir uns ge-
rade in der griechischen Ecke befinden, mit einer eigenen, oberirdischen, or-
thodoxen Kirche und einem Clubhaus. Auch andere Nationalitäten haben sich
bislang in der Einsamkeit des Outbacks zu einem Club zusammengeschlos-
sen, so z. B. Serben, Kroaten und Italiener.


 

 

 

 
Wir erreichen den Friedhof und dürfen beim Aussteigen natürlich mal wieder bei den Äpfeln
und Minties zugreifen. Das Areal ist nicht besonders groß, dafür aber gespickt mit aus-
gefallen gestalteten Gräbern und vielen Geschichten über die Bestatteten. Die erste Ge-
schichte ist an keinen Grabstein geknüpft, denn sie handelt vom kürzlich verstorbenen "Air-
plane George", einem Aborigine ohne festen Wohnsitz, der die verblüffende Fähigkeit be-
saß, sich von einem Ort zum anderen enorm schnell zu bewegen. So hat er sich abends
bei Leuten verabschiedet und nachdem sie am nächsten Morgen die Entfernung bis zum
Treffpunkt mit dem Auto zurückgelegt hatten, stand er schon wieder zur Begrüßung da.
Keiner wusste, wie er das bewerkstelligen konnte und so hat man ihm kurzerhand ange-
dichtet, dass er ein Flugzeug besitzen muss. Aber zurück zum Friedhof. Dort liegt unter
anderem ein gewisser Karl Bratz, ein gebürtiger Deutscher. Als er von seiner tödlichen
Krankheit erfuhr, bestellte er sich eine ganz besondere Grabstätte für sich und seine Trau-
ergemeinde. So ziert neben seinem Hut noch ein Bierfass mit Zapfanlage die schlichte Be-
tonplatte. Auf diesem Alufass steht "Have a drink on me - Karl Bratz - 1940-1992" und das
sollte bei seiner Beerdigung als Aufforderung zu verstehen sein. Das Fass war natürlich
gefüllt und die Leute auf seiner Trauerfeier durften nicht eher gehen, bis das letzte Bier auf
seinen Namen heruntergekippt worden war. Am Ende soll sich dies sogar als ziemliche
Herausforderung entpuppt haben, denn es blieben nur eine handvoll trinkfester Kumpels
übrig, die seinen letzten Willen in die Tat umsetzen konnten. Eigentlich erzählt fast jedes
Grab eine Geschichte, denn bei der Gestaltung der Ruhestätten ist immer wieder jede
Menge Kreativität im Spiel. Es gibt eines in Form eines Schlosses, gefüllt mit Muscheln
(in der Wüste!) und einer Delphinskulptur auf dem Grabstein, mit Putten und Stofftieren,
mit blau angemalten Werkzeugen als Zierde, mit einer verschraubten Metallplatte und auch
eines mit einer Krokodilfigur, welches sich ganz lässig an das Kreuz zurücklehnt. Der un-
freiwillige Bewohner dieses zwei-mal-ein Meter großen Areals ist der 2006 verstorbene
Crocodile Harry, welcher als eine der bekanntesten und schillerndsten Persönlichkeiten in
dieser Gegend gilt. Noch wissen wir nicht warum, aber da wir im Rahmen dieser Tour noch
zu seinem Dugout fahren, werden wir wohl bald mehr wissen. Auf dem Friedhof sind übri-
gens alle Konfessionen nebeneinander beerdigt.

Die nächste Busetappe führt uns an einem unterirdischen Post-Office vorbei, am ovalen Spielfeld des Footy-
Sportplatzes und an der hiesigen Kamelrennbahn. Kamele und Australien passen nicht zusammen? Oh doch!
Früher, als die Wasser- und Güterversorgung in der Wüste noch durch mühevolle Überlandtransporte mittels
Lastentieren erfolgen musste, importierte man im 19. Jahrhundert eigens hierfür die äußerst robusten Höcker-
träger nach Down Under. Als dann in den 20er Jahren die Maschinen in Form von Zug und Lastwagen Einzug
hielten, entledigte man sich der Tiere, indem man sie sprichwörtlich genommen in die Wüste schickte. Wie so
oft in der Geschichte der australischen Tierwelt gibt es für diese nicht-heimische Spezies keine natürlichen Fein-
de und die Population der Kamele entwickelte sich prächtig. Heute schätzt man deren Anzahl auf ca. 1 Mio.
Tiere - die größte Ansammlung von freilebenden Kamelen auf dem gesamten Erdball! Die Australier sprechen so-
gar von einer Plage, denn sie sind eine ernsthafte Futterkonkurrenz für die Schaf- und Rinderherden. Bei der ver-
zweifelten Suche nach Lösungen entschied man sich u.a. für das Notkeulen (siehe auch den Wikipedia-Eintrag
"Kamele in Australien" in Zusammenhang mit dem Ort Kaltukatjara) und das erneute Domestizieren. Auch als
Renntiere machen sie eine sehr gute Figur, was somit die Existenz der oben erwähnten Kamelrennbahn erklärt.
 

Aber noch faszinierender finden wir den 18-Loch-Golfplatz von
Coober Pedy mitten in der Wüste. Dass sich hier kein Grashalm
dem Himmel entgegenreckt, liegt ja wohl auf der Hand, dennoch
schmückt witzigerweise das Hinweisschild "Keep off grass" den
Eingang zum Areal. Aber ansonsten fehlt es an nichts: die Driving
Range zum Üben langer Schläge, die Abschlagzone mit Kunst-
rasen
, das Fairway aus platt gewalztem Sand und das Green
bzw. die Puttfläche um das Loch herum - letzteres wird dunkel
eingefärbt, um eine bessere Sichtbarkeit zu gewährleisten. Einzig
einen Bunker sucht man hier vergebens, denn die Umgebung ist
weiß Gott schon sandig genug. Wir erfahren auch, dass jeder

Spieler für den Abschlag sein eigenes Stück Rasen ("turf") mit sich herumträgt und man hier lieber nachts als
tagsüber spielt, um der sengenden Sonne zu entgehen. Aus diesem Grund werden auch nicht die klassisch
weißen Bälle verwendet, sondern welche in leuchtenden Farben oder sogar mit Lichteigenschaften.

Es geht weiter in die typische Mondlandschaft, die Coober Pedy charakterisiert: abertausende von kleinen und
großen weißen Hügeln neben Bohrlöchern als Beweis, dass man hier schon mal nach Opalen gesucht hat. Wir
fahren in das Sperrgebiet hinein und erneut warnen etliche Schilder vor unautorisiertem Zugang und vor den Ge-
fahren in die zum Teil schwer zu sehenden und meist am Rand unbefestigten Gruben hineinzufallen.

Insgesamt sollen wohl schon 490 Quadratkilometer
durchgebuddelt sein und Schätzungen gehen von ca.
2 Mio. Löchern aus. Ein Claim hat normalerweise eine
Kantenlänge von 50 mal 100 m. Bei der Suche fängt
man zunächst mit einem kleinen Loch, dem soge-
nannten "investigator drill" (= Recherchebohrung) an
und wenn man zuversichtlich ist, wird das bereits vor-
gestellte, schwere Gerät zum Einsatz gebracht. Dank
eines eigenen Radeka-Claims können wir sogar alle
einmal aussteigen und uns unter der Aufsicht unseres
bärtigen Guides im Noodling versuchen. Beim Wühlen
mit den Händen in einem Haufen Abraum entdecken
wir allerdings nur kleinere Potch-Opale (es fehlt das
faszinierende Farbspiel), mit denen man zwar kein
Vermögen verdienen kann, die sich aber schön als An-
denken mitnehmen lassen.

Nachdem sich alle beim Buddeln ausgetobt haben, fahren wir weiter
zum ehemaligen Domizil von Crocodile Harry. Man munkelt, dass
seine Person sogar die Vorlage für die "Crocodile Dundee"-Filme
war ... naja, wer's glaubt. Wesentlich sicherer ist, dass Baron Arvid
von Blumental ursprünglich aus Lettland kam und in der SS gegen
die UdSSR gekämpft hat. Als der Krieg vorbei war, ging er in die
französische Fremdenlegion und siedelte dann irgendwann in den
50er Jahren nach Australien über. Zunächst blieb er noch im Norden
des Kontinents, um dort wohl mit großem Erfolg Krokodile zu jagen.
Es wird ihm nachgesagt, lieber die Axt statt das Gewehr genutzt zu
haben, um teuere Munition zu sparen. Nach etwa 20 Jahren als Jä-
ger kam er dann nach Coober Pedy, wo er sich etwas außerhalb der
Stadt seine "Democratic Republic of Crocodile's Nest" einrichtete.
Sein Leben kannte offensichtlich nur drei wichtige Inhalte: erstens
Alkohol (diesem Laster frönte er schon im Norden, wo er sich den
Überlieferungen nach an einem Tag in Ermangelung von Alkohol mit
Kerosin betrank), zweitens Frauen (diese besuchten ihn in seiner
Behausung
zahlreich und er soll sie alle beglückt haben) und drit-
tens die Suche nach Opalen bzw. die Erweiterung seines Dugouts.
Sein "Haus" und "Garten" beinhalten eine wirre und irre Ausstellung.
An den Decken und Wänden gibt es jede Menge Unterschriften, Bil-
der, Danksagungen, aufgehängte Unterwäsche (natürlich von all den
glücklichen Frauen), Gipsskulpturen, Visitenkarten, Fotos, Fahnen,
Ausweise und sogar Führerscheine (u.a. auch deutsche). Draußen
geht seine Kreativität weiter, denn aus Schrott und Knochen bastel-
te er Skulpturen und Autos bemalte er mit - was auch sonst - bar-
busigen Frauen und Krokodilen
. An einem noch ursprünglich ausse-
henden, angrenzenden System von Höhlen (von ihm ohne Maschi-
nen, dafür mit Dynamit, Schaufel und Hacke gegraben) hatten einige
Filmemacher Interesse und so wurden hier ebenfalls Szenen von
"Pitch Black" und "Mad Max 3" gedreht. Ein verrückter Knabe!
Schade, dass er schon Ende 2006 durch Alkohol dahingerafft wor-
den ist, mit dem hätte Olga gerne ein paar Worte gewechselt ... nur
nicht beglücken lassen!


 

Nach den bisherigen Handmade-Objekten bekommen wir nun einen Einblick und viele Informationen über die na-
türliche Entstehung dieser Gegend, denn das nächste Ziel sind die Breakaways. Dieses Fleckchen Erde ist ein-
fach nur bezaubernd und wird in den Prospekten aus unserer Sicht zu Recht als ein Juwel des südaustralischen
Outbacks
angepriesen. Wir stehen am oberen Rand eines Talkessels

und blicken auf eine rotbraune, endlose Ebene, aus der sich hier und
da majestätische Tafelberge erheben - Herz, was willst du mehr! Man
hat einen wirklich umwerfenden Ausblick über das schier grenzenlose
Tal, welches vor ca. 120 Mio. Jahren noch den Boden des Eromanga-
sees bzw. des urzeitlichen Meeres Cadibarrawirracanna bildete. Die-
ses Gewässer bedeckte zu dem Zeitpunkt etwa ein Drittel des austra-
lischen Kontinents und durch diese Entstehungsgeschichte gilt die
Gegend hier als Paradies für Paläontologen und ist bekannt für seine
außerordentlichen Fossilienfunde. Die großen Hügel sind nicht wie
sonst üblich durch Erdverschiebungen oder Abraum entstanden, son-
dern verdanken ihre faszinierenden Formen vorrangig der Wind- und
Wassererosion
. Zwei Hügel sind uns bei der Weiterfahrt noch einen


 


 

Extrastopp wert, denn sie sehen - zugegeben, mit ein wenig Vorstellungskraft - wie zwei liegende Hunde aus,
die auf ihr Herrchen warten.

Apropos Hunde: wir erreichen den ebenfalls sehr berühmten "dog
fence
", ein ca. 5320 km langer Zaun, der sich durch die drei Bundes-
staaten South Australia, Queensland und New South Wales zieht.
Damit sollen die Schafe und anderen Nutztiere im Südosten des
Kontinents vor den angriffslustigen Dingos geschützt werden, welche
auch bekannt dafür sind selbst dann Beute zu reißen, wenn sie nicht
gerade hungrig sind. Man sagt diesen Wildhunden nach, dass sie
aus Spaß an der Freude jagen und so der Viehzucht natürlich großen
Schaden zufügen. Leider ist dies nun schon die letzte Etappe unserer
Radeka-Tour und wir müssen zurück zum Ausgangspunkt der Route.

Zunächst wundern wir uns noch, warum schon gegen 17 Uhr kein Restaurant mehr aufhat, aber dann erinnern
wir uns an eine weitere Empfehlung des Motelbesitzers. Heute Abend findet ein Footy-Match im heimischen
Rund statt und die ganze Stadt wird wahrscheinlich anwesend sein - so auch wir. Sascha läuft zu unserer Un-
terkunft, um das Auto zu holen und für die Rückfahrt nach dem Spiel am Stadion abstellen zu können, während
Marina, Tim, Olga und Carsten schon mal zu Fuß dorthin laufen.
 


 

 

 

 

Vor dem Anpfiff bekommen wir von Sascha noch einen Crashkurs in diesem typisch austra-
lischen Volkssport
. Footy hat viele Namen. Offiziell heißt es eigentlich Australian Football
oder Australien Rules Football, aber gängig sind auch Namen wie Aussie Rules, Football
oder eben Footy. Es ist eine Mischung aus dem europäischen Fußball und Rugby und wird
sowohl mit den Händen als auch mit den Füßen gespielt. Ziel ist es, das Rugby-Ei durch
Würfe und Schüsse in den eigenen Reihen über das bis zu 180 m lange Spielfeld (zum
Vergleich: im Fußball darf das Feld maximal 120 m lang sein) zu bringen und am Ende ein
Tor zu erzielen. Die Tore beim Footy bestehen aus vier weißen, unterschiedlich hohen und
6,40 m weit auseinander stehenden Pfosten, wobei die zwei inneren höher sind als die bei-
den äußeren. Schießt der Gegner den Ball zwischen die inneren Stangen, so bekommt die
Mannschaft 6 Punkte, trifft er nur den Zwischenraum recht oder links, so erhält sie 1 Punkt.
Entschieden wird das durch einen Schiedsrichter direkt hinter der Torzone und seinem an-
schließenden Schwenken einer (= 1 Punkt) oder zwei (= 3 Punkte) weißen Fahnen. Was
muss man noch wissen? Ach ja, Footy ist ein Vollkontaktsport ähnlich dem American Foot-
ball, allerdings komplett ohne sichtbare Protektoren. Auf dem Feld rennen 18 Spieler pro
Mannschaft und kämpfen um die elliptische Pille. Mitunter kann es aber auch passieren,
dass dort noch mehr Leute rumlaufen, denn für uns total ungewohnt, ist es Trainern, Assis-
tenten und Wasserträgern ebenfalls während des Spielzuges erlaubt, sich zwischen den
Spielern aufzuhalten. Sie dürfen allerdings nicht aktiv ins Spielgeschehen eingreifen, doch
bei einem Platz von 180 m Länge und 150 m Breite verteilen sich 36 Spieler äußerst weit-
räumig. Ebenfalls witzig anzusehen ist das Einwechseln von Spielern, denn der Einge-
wechselte wärmt sich am Spielfeldrand mit einem Fahrrad-Hometrainer auf, statt wie bei
uns im Fußball an der Außenlinien auf und ab zu rennen. Zuerst dachten wir, dass darauf
Strafminuten abgestrampelt werden müssen ...

Da sehen wir nun also unser erstes Live-Footyspiel und es stehen sich die Amateurmann-
schaften von Coober Pedy und Olympic Dam (300 km Anfahrtsweg selbst in dieser unbe-
deutenden Liga!) gegenüber bzw. rennen einander über den Haufen. Am Ende des Spiels
gewinnen die Gäste mit 143 zu 51 Punkten, also hat sich für sie die weite Anreise auf jeden
Fall gelohnt. Nebenher testen wir noch das hiesige Fast-Food-Angebot, wobei Olga nach
ihrer vielversprechenden Bestellung eines Kuchens (im Englischen: pie) ganz enttäuscht

dreinschaut, denn dieses Pie ist leider ein Stück Blätterteig, gefüllt mit einer Art Gulasch. Aber Carsten freut
sich natürlich darüber, denn für Fleisch ist er doch immer gern zu haben.

Nach dem Spiel strömen wir mit den anderen Zuschauern auf den Parkplatz und lassen uns von Sascha nach
Hause ins Motel fahren. Carsten und Tim verschwinden ganz schnell auf die Zimmer und die Russisch sprechen-
de Fraktion trifft sich noch in der Küche zum abschließenden Tee des Tages. Lange hält aber auch die es nicht
aus, denn der Tag war nicht nur ereignisreich, sondern auch eine große Anstrengung für das Gehirn - so viele
neue Eindrücke und Informationen haben wir schon lange nicht mehr verarbeiten müssen. Aber schön war's!!!

 

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