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Freitag, 23. Juli
Ab ins Outback zu den Opalschürfern

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Und er klingelt (leider!) wie geheißen ... Sascha, Marina, Tim, Olga und Carsten wuseln so leise wie möglich im
Haus herum, schleppen unser Hab, Gut und Essen in die Garage und stopfen alles in Saschas Kombi. Gegen
4 Uhr sind wir abfahrtbereit und brechen nach Coober Pedy auf, eine Stadt im unwirtlicheren Mittelteil Austra-
liens. Glücklicherweise führt uns das Gros der Strecke durch das allseits bekannte Outback und wir werden es
endlich mal in Natura sehen können.

Leider fahren wir anfangs nur im Dunklen - bei der Uhrzeit aber auch in Austra-
lien kein Wunder. Während der Fahrt hört man meistens Marina und Olga re-
den, denn sie haben einfach zu viel Erlebtes aus den letzten Jahren auszutau-
schen. Nach etwa 300 km machen wir die erste große Pause, um unser Früh-
stück in Form eines Picknicks
in der Nähe eines Spielplatzes in Port Augusta
zu machen. Langsam lugt nun auch die Sonne heraus und Tim nutzt die Gele-
genheit nicht nur zum Essen, sondern auch um seiner Lieblingsbeschäftigung,
dem Fußballspielen, nachzukommen. Für den 10-Jährigen ist die Fahrt natür-
lich am langweiligsten, obwohl er sich mit seinem iPod und einer Fußballzeit-
schrift erstaunlicherweise lange beschäftigen kann.

Nach dem Frühstück darf Carsten auf dem nächsten Abschnitt das
Steuer in die Hand nehmen. Kurz hinter der Stadtgrenze verändert sich
die Landschaft so, wie man sich Australien immer vorstellt: eine un-
endlich lange Straße, nur karge Vegetation am Straßenrand und viel
rote Erde. Für die nächsten Stunden - eigentlich die ganze Zeit bis zu
unserem Ziel - wird uns das zweispurige Asphaltband des Stuart High-
way begleiten. Er ist mit seinen ca. 2800 km Länge eine der wichtig-
sten Fernverkehrsstraßen des Kontinents und verläuft von Port Augus-
ta im Süden über Alice Springs, die Mitte des Landes, bis nach Dar-
win im Norden. Fast immer parallel zum Highway verlaufen die Gleise
der Transaustralischen Eisenbahn, auf denen unter anderem der be-
rühmte Zug The Ghan verkehrt.

 

Anfangs ist die Vegetation sogar noch hoch genug, um das Känguru zu verbergen, welches gleich vor unseren
Kühler springt. Carsten stoppt mit einer beherzten Bremsung den Wagen und das Tier springt ganz gelassen
direkt vor seiner Nase über die Straße - ein ganz besonderes Erlebnis! Leider kann keiner von uns so schnell die
Digicam zücken, wie es auch schon wieder im Gebüsch verschwunden ist. Ab jetzt werden von Kilometer zu
Kilometer der Erdboden rötlicher und die Pflanzen kleiner. Am Straßenrand sieht man zwar wieder jede Menge
Tiere, aber die meisten davon bewegen sich nicht mehr, sondern liegen als sogenannten Roadkill rum und faulen
vor sich hin. In allen Stadien des Zerfalls, vom felligen Dahingeschiedenen bis zum blanken Skelett, können wir
Kängurus, Wallabys, Schafe, Kühe und andere Vierbeiner erkennen. Diejenigen, die wir lebend sehen, gehören
in der Regel Kuh- und Schafherden an, welche sich selbständig und gänzlich ohne Aufsicht in dem weiten Areal
bewegen und nach essbarem Grünzeug suchen. Wann werden wir die ersten Fotos mit Kängurus und anderen
australischen Tieren schießen können? Bei der jetzt durchschnittlich mit 90 km/h vorbeirauschenden Landschaft
bleibt jedenfalls nur die Erinnerung. So auch an die ersten Emus, die abseits der Straße grasend und laufend ge-
sichtet werden.

Aber Carsten versucht zunächst etwas anderes auf den Speicherchip als Foto und Video zu sichern, denn seine
Vorstellung von Australien beinhaltet unter anderem die faszinierend langen LKWs. Er freut sich jedenfalls sehr,
dass wir einige davon sehen und auch überholen können. Diese sogenannten Road-Trains leisten mit bis zu vier
Anhängern einen signifikanten Anteil am Überlandtransport, wo Züge und andere Fahrzeuge nicht hinkommen.
Maschinen sind Männersache und so können Frauen solche Angaben wie bis zu 16 Achsen, eine mindestens
500 PS starke Zugmaschine, maximal 53,5 m Länge und höchstens 132 Tonnen Anhängelast nicht entzücken,
aber wenn man solch ein Teil überholen muss, dann macht sich angesichts der Zeit zwischen Aus- und Einsche-
ren selbst bei Olga Ehrfurcht breit. Glücklicherweise kann man bis zum Horizont schauen und so auch recht-
zeitig entdecken, ob ein anderes Auto entgegenkommt. Da die Straßen größtenteils leer sind, ist es notfalls
kein Problem, wenn man den Überholvorgang mittendrin abbricht und sich wieder hinter den letzten Anhänger
zurückfallen lassen muss - Platz ist auf jeden Fall immer ausreichend vorhanden.

Wir halten auf der langen und mittlerweile auch sehr eintönig werdenden Fahrt immer wieder auf Parkplätzen in-
mitten des Outbacks an, um uns vor jedem Fahrerwechsel die Füße zu vertreten, ein wenig Fußball mit Tim zu
spielen, eine Kleinigkeit zu essen und in der Regel einen langen Weg zu laufen, bis man schließlich einen aus-
reichend großen Busch oder breiten Baum findet, der als würdigen Schutz der Privatsphäre herhalten kann.

 


 

Nach ca. 180 km Stuart Highway verlassen wir kurzzeitig die Tras-
se, um einen längeren Stopp in dem kleinen Städtchen Woomera
einzulegen. Vor 1982 wäre dieser Abstecher von 8 km nicht denk-
bar gewesen, denn dieses Fleckchen Erde gehörte zum Sperrgebiet
WPA (Woomera Prohibited Area) und war während des Kalten Krie-
ges eine der bestgeschützten Militärgeheimnisse Australiens. Das
heute ca. 400 Einwohner zählende Woomera wurde offiziell 1947
gegründet und zwischenzeitlich lebten dort sogar bis zu 7000 Men-
schen in Militäreinrichtungen statt Eigenheimen. Das 127000 Qua-
dratkilometer große Gebiet diente in erster Linie für Nuklear-, Waf-
fen- und Raketenexperimente und wird noch heute an bestimmten
Stellen für die Raumfahrtforschung (Brennstufentests, Raketen-
starts) oder als Schießanlage für großkalibrige Artillerie und Ge-
fechtsköpfe genutzt.

Heutzutage haben die meisten Bewohner irgendetwas mit Vertei-
digung oder Weltraumforschung zu tun oder arbeiten in einem der
vielen Museen. Unser Interesse gilt dem Historischen Museum,
wobei ein Teil der Ausstellung open-air zu besichtigen ist. Unter-
schiedliche Jets, Raketen und Flugkörper ziehen auch hier größten-
teils nur die Männerschaft magisch an, doch selbst Olga findet die-
se Ausstellung in gewisser Hinsicht sehr imposant: weiß angestri-
chene Raketen mit roten "Nasen" sehen unter einem stahlblauen
Himmel
sehr toll aus, denn die Sonnenstrahlen verwandeln sie ein-
fach in ausgefallene Skulpturen und man vergisst dabei gern, dass

sie keinesfalls für einen friedlichen Zweck konstruiert worden sind. Einige dieser Metallkolosse liegen auf der
Erde oder hinter Maschendrahtzaun und die Natur erobert offensichtlich nach und nach ihre Entfaltungsflächen
zurück, indem sie das Metall umrankt und blüht.

Nach der kostenlosen Erkundung des Außenbereiches zücken
wir ganz brav 3 AUD pro Nase und gehen in das flache Muse-

umsgebäude hinein. Es ist ein Sammelsurium der Dinge, welche typisch für diese Gegend sind und waren. So
liegen Waffen der Ureinwohner neben Fossilien, Opale neben alten Werkzeugen der Neuzeit und natürlich jede
Menge Nachweise, dass hier das Militär lange Zeit das Sagen hatte, z.B. ein Modell der größten Abschussram-
pe, Bilder von Waffen- und Raketentests, viele technische Gerätschaften und eine Auswahl von Uniformen. Wenn
allerdings ein Ort klein ist, dann kann auch das dazugehörige historische Museum nicht sonderlich groß sein
und so bleibt die Anlage im wahrsten Sinne des Wortes überschaubar. Doch die fast 60 Minuten Herumlaufen
und Abstandnehmen vom Outback tun richtig gut.

Die letzten 380 km rufen und nach insgesamt 12 Stunden Fahrzeit inklusive der Pausen, Zwischenaufenthalte
und einer Tankauffüllung kommen wir gegen 16 Uhr überglücklich und voller neuer Eindrücke am Ziel an.

Im Vergleich zu Woomera ist Coober Pedy recht groß und beheimatet über 2500 Einwohner. Die größte Beson-
derheit dieses Städtchen ist allerdings nicht an der Oberfläche zu suchen, sondern unter der Erde. Coober Pedy
gilt als die Welthauptstadt der Opale, da hier über 80% der weltweiten Funde gemacht werden. Aus diesem
Grund zieht diese Gegend verständlicherweise jede Menge Glücksritter an, aber natürlich auch Touris wie uns.
Die zuletzt erwähnte Gruppierung ist auf jeden Fall neugierig auf die sogenannten Dugouts, unterirdische Wohn-
höhlen, die durch die Suche nach den schillernden Edelsteinen entstanden sind und am Ende als praktische

Alternative zum Haus genutzt werden. Hierbei ist der größte Vorteil, dass im
Sommer wie Winter und am Tag wie in der Nacht recht konstant die Tem-
peratur von ca. +25°C herrscht. In einer unwirtlichen Gegend, wo man in der
warmen Jahreszeit mit über 40°C und in kalten Winternächten mit Tempera-
turen nahe des Nullpunktes zu leben hat, ist das mehr als angenehm.
Außerdem kann man nach Belieben die Wohnfläche vergrößern, indem man
einfach einen weiteren Raum gräbt und vielleicht findet man nebenbei ja
noch eine ergiebige Opalader - gut, ganz so einfach ist es dann noch nicht.
Auch wird fälschlicherweise angenommen, dass fast alle Einwohner in Dug-
outs hausen, aber in Wahrheit sind es nur ca. ein Viertel, denn zum einen
gibt es gar nicht so viele Hügel in die man waagerecht hineingraben kann

und zum anderen werden Opale in der Regel mit senkrecht nach unten führenden Schächten gesucht ... dazu
später mehr. Nur noch diese Info: Opale sind insofern "gemein", weil es für sie keinerlei natürliche oder techni-
sche Erkennungszeichen gibt, wie z.B. Pflanzen, die mit Vorliebe in ihrer Nähe wachsen, andere Gesteinsarten,
welche als typische Begleiter gelten, oder den vorherigen Einsatz von Ultraschall- bzw. Röntgentechnik. Bei der
Opalschürfung helfen am Ende nur Fleiß, Geduld und viel Glück.

 
Wir befinden uns mittlerweile auf der Suche nach unserem Dugout für die
nächsten zwei Nächte, denn Sascha hat für uns zwei Zimmer im Under-
ground Motel
auf der Catacomb Road gebucht. Nach nur 10 Minuten Suche
sind wir am anderen Ende der Stadt fündig geworden und können unsere
Sachen aus dem Auto in die Zimmer tragen. Vom Flur bzw. einer großen
"Vorhöhle" zweigen insgesamt 7 Türen ab, die in eine Küche und 6 Räume
mit Bad münden. Trotz der steinzeitlich anmutenden Behausung fehlt es an
nichts. Die Zimmer sind geräumig, die Wände haben eine schöne erdige
Farbe mit einer maschinellen Struktur der Schürfbohrer, es gibt mehrere

Steckdosen, einen Fernseher, Kleiderhaken, Kleinmöbel, Tischchen, Dusche und WC sowie ein gemütliches
Doppelbett - Sascha und Marina haben wegen Tim natürlich ein Dreierzimmer gebucht. Selbst in der Gemein-
schaftsküche mit Kühlschrank, Mikrowelle, Ofen, Spüle, Geschirr- und Besteckschränken, Esstisch und vier
Stühlen gibt ebenfalls alles, was man als Selbstversorger braucht. Noch wissen wir zwar nicht, was uns beim
Frühstück erwartet, aber da es bislang nix zu mäkeln gibt, wird es da wohl auch nicht anders sein. So kann
nach der Anfahrt unser Abenteuer in die 2. Runde übergehen, wenn auch deutlich komfortabler als erwartet.

Apropos erwarten, die Mägen schreien so langsam nach einer Auffül-
lung - Tims natürlich am meisten. Wir wollen der Empfehlung des
Motelbesitzers folgen, welcher uns eine hiesige Pizzeria im Zentrum
anpreist, bei der wir sogar 10% Rabatt bekommen, wenn wir erwäh-
nen, dass wir in seinem Etablissement untergekommen sind. Auf
dem Fußmarsch dahin können wir uns einen ersten Überblick über
die Lebensumstände in Coober Pedy verschaffen. Aus unserer deut-
schen Sicht wohl eher rückständig, aber die Menschen hier scheinen

glücklich zu sein. Neben den paar asphaltierten Straßen und unbefestigten Seiten-
streifen gibt es auf dem Weg zur Futterquelle noch eine Zapfsäule für Frischwas-
ser
(30 Liter für 20 Cent, in einer solch unwirtlichen Gegend ein wirklich sehr gu-
tes Angebot) und ein Autokino bzw. "Outback Open Air Cinema", wo ein Aushang
ankündigt, dass an jedem zweiten Samstagabend eine Vorstellung stattfindet, zu
sehen.

Wir schlendern am Zaun des Kinos vorbei und wenden unsere Aufmerksamkeit
den zahlreichen, unterirdisch gelegenen Geschenkeshops sowie Galerien mit
Kunstwerken der Aborigines zu. Die Gemälde der australischen Ureinwohner fin-
den wir sehr beeindruckend, denn in der Regel setzen sich die Motive nur aus ein-
zelnen Farbpunkten ("Dot-Painting") statt aus Pinselstrichen zusammen. Es fol-
gen weitere Kuriositäten am Straßenrand, wie z.B. eine ausgemusterte Tunnel-
bohrmaschine
, witzig gestaltete Eingänge zu Geschäften und der Teil eines
Raumschiffs
, welches man bei den Dreharbeiten zum Blockbuster "Pitch Black"

mit Vin Diesel verwendet hat. Außerdem begegnen wir unseren ersten Aborigines, was für uns natürlich eine Besonderheit ist.

Als dann die Sonne allmählich verschwindet und es schlagartig kälter wird, entern wir den überdachten Außen-
bereich von John's Pizza Bar & Restaurant, wo ein Wärmepilz gegenüber dem Drinnen sitzen eine schöne, fri-
sche Abendluft und einen tollen Ausblick auf die "Hauptverkehrsstraße" bietet. Als erstes lernen wir, dass auch
im Outback deutsche Gewohnheiten von vornherein abgelegt werden sollten und wie überall in Australien der
Grundsatz "immer mit Ruhe und Gelassenheit" Anwendung findet. Für die Zubereitung unserer Mafiatorten brau-
chen die Pizzabäcker über 20 Minuten, während vorzugsweise die Leute bedient werden, die ihr Essen am Tre-
sen bestellen und gleich mitnehmen. Olga widmet sich zwischenzeitlich den Geschmacksrichtungen des aus-
tralischen Bierangebots. Für den deutschen Gaumen ist der hiesige Gerstensaft prinzipiell zu lasch, da es mit
durchschnittlich 4% viel weniger Alkohol enthält, aber andererseits dürfte diese Leichtigkeit bei warmen Tempe-
raturen wiederum ganz angenehm sein.
 


 

 

Nach dem Essen gehen wir wieder entlang der Hauptstraße Hutchison Street, die nach
dem Entdecker des ersten Opals benannt ist, bis zum für Outback-Verhältnisse recht gro-
ßen und luxuriösen Desert Cave Hotel. Außer den Zimmern und Restaurants bietet man den
Besuchern auch noch eine sehr interessante Ausstellung über die Ortsgeschichte und na-
türlich das wertvolle Gestein an. So erfahren wir z. B., dass der 14-jährige Bill Hutchison am
1. Februar 1915 durch reinen Zufall die ersten Opale auf dem Boden entdeckte, denn eigent-
lich half er seinem Vater, der in dieser Gegend auf der Suche nach Gold war. Auch über die
Bedeutung des 1925 ausgewählten Stadtnamens wird man aufgeklärt: Coober Pedy ist die
englische Schreibweise des Aboriginal-Begriffs "kupa piti", was übersetzt "weißer Mann im
Loch" heißt. Schaukästen und Infotafeln zeigen zudem die verschiedenen Arten von Opalen
(white, black, light, crystal, fire, boulder, ...), die Vorgehensweise bei der Ausgrabung (tun-
neling machine, blower, Dynamit, ...) und die damit verbundenen Notwendigkeiten (Gefah-
ren, Hinweisschilder, Mine Rescue Squad, ...).

Auf Weiterbildung folgt Entspannung und da die obere Etage eine kleine Bar mit Spielauto-
maten, Kicker- und Poolbillardtisch anbietet, zieht es uns automatisch dorthin. Marina und
Olga faulenzen mit einem Scotch mit Lemon und einem Bierchen in den gemütlichen Ses-
seln, während die Männer sich lieber spielerisch betätigen wollen. Zuerst kickert Sascha mit

Tim und es gewinnt Erfahrung gegen Jugend, danach versuchen sich Sascha und Carsten am Poolbillard.

So ist es bei Spiel und Trank schon reichlich spät geworden und wir traben den Weg zurück zu unserem Schlaf-
domizil. Die Nacht ist sternenklar und man kann recht mühelos das bekannte Südkreuz finden, welches sogar
auf der australischen Flagge verarbeitet worden ist. Trotz der Wüstenkälte genießen wir am Ende noch ein paar
Minuten auf der Hollywoodschaukel vor dem Moteleingang und resümieren untereinander diesen tollen Tag.

 

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