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Mittwoch, 21. Juli
Erstes Wiedersehen nach vielen Jahren

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Um 10 Uhr Adelaider Zeit erreichen wir das Ziel unserer langen Flugreise. Marina wartet bereits am Ausgang und
strahlt über das ganze Gesicht als sie uns entdeckt. Sie hat ganz schlau gehandelt und eine knallgelbe Jacke
angezogen. So können wir sie in der Menge der Abholer sofort erkennen und anschließend ganz herzlich mit
Umarmungen und Küsschen begrüßen. Jetzt müssen wir bloß noch unsere Koffer und dann unseren Mietwagen
abholen.

Nachdem uns Marina noch ein Navi mit voreingestellter Home-Destination in die Hand gedrückt hat, trennen sich
unsere Wege für kurze Zeit, denn sie stellte ihr Auto auf einem etwas entfernteren Bezahlparkplatz ab und mit
Gepäck passen bestimmt keine drei Personen in unseres. Wir verabreden uns an einer in Sichtweite befindli-
chen Tankstelle zu treffen. So bleibt uns genug Zeit den zugeteilten Hyundai Getz zu finden, die Koffer zu ver-
stauen und sich mit dem Vehikel vertraut zu machen. Klar kann Carsten exzellent Auto fahren, aber vieles (nicht
alles!) ist in Australien eben anders. Das Steuer ist dank Linksverkehr auf der rechten Seite, Bremse und Gas-
pedal bleiben aber an gewohnter Stelle. Auch die Automatik stört nicht weiter, muss allerdings mit Links bedient
werden. Blinker und Scheibenwischer sind vertauscht, weshalb man Neuankömmlinge meist an der sehr sau-
beren Scheibe beim Abbiegevorgang erkennt.

Nach ein paar Minuten holt uns Marina ab und führt uns als Vorausfahrende parallel zum englischsprachigen
Navi nach Hause. Wir haben nur immer wieder die Sorge, sie in dem dichten Verkehr und bei der noch sehr ho-
hen Konzentration auf die ungewohnten Verhältnisse aus den Augen zu verlieren. Aber sie nimmt Rücksicht auf
unsere Situation, indem sie sehr vorbildlich fährt und uns nie aus dem Rückspiegelblickfeld lässt. So kommen
wir nach ca. 20 min Fahrzeit heile an ihrem Haus in Reynella, einem Vorort der 1,2 Millionenstadt Adelaide, an.
Zum Vergleich: der gesamte Bundesstaat South Australia hat insgesamt 1,7 Mio. Einwohner und ist fast dreimal
so groß wie Deutschland!

Wir bekommen das Zimmer von Tim, eigentlich Timothy, dem mit 10 Lenzen jüngsten Spross der Familie. Für
die Zeit unseres Aufenthaltes darf oder muss (je nachdem aus welcher Sicht man es beurteilt) er bei seinem
6 Jahre älteren Bruder Eugene einziehen. Tim freut eine solche Abwechslung innerhalb des normalen Alltags na-
türlich sehr, Eugene weniger, aber er arrangiert sich ganz gut damit. Da beide noch in der Schule sind, freut sich
zunächst ein anderer Bewohner über unser Ankommen, denn der ganz junge, temperamentvolle, rotgestreifte
Stubentiger namens Tommy versucht unsere Unwissenheit auszunutzen und durch die offene Haustür zu schlüp-
fen - leider Pech gehabt, Marina hat uns selbstverständlich vorgewarnt.

Nach einer kulinarischen Stärkung mit Borschtsch und der russischen Spezialität "Hering unter Mantel" zeigt
uns Marina das Haus. Immerhin leben hier drei Generationen unter einem Dach: Marinas Eltern, Opa Vladimir
und Oma Alla, Marina und Sascha selbst und die beiden Jungs. Das Haus ist geräumig, aber nur auf einer Eta-
ge, ohne Keller und da aus Holz gebaut, für unsere steinwandgewohnten Ohren etwas zu hellhörig. Im Garten
lernen wir die Heimat des letzten, noch nicht genannten Bewohners kennen. Der Golden Retriever Jim ist zwar
der Wachhund des Anwesens, jedoch absolut gutmütig und völlig verspielt.

Aber wir wollen uns nicht nur im Haus aufhalten und zudem muss Tim bald von der Schule abgeholt werden.
Bis dahin bietet Marina an, uns ihren Lieblingsplatz für einen schönen Strandgang zu zeigen und wir stimmen
diesem Ausflug natürlich zu. Besonders Olga freut sich wahnsinnig darauf, endlich mal wieder am Meer spazie-
ren zu gehen. Wir fahren zum nicht weit entfernten Hallet Cove. Ein Hinweisschild direkt am Eingang dieses
Naturschutzparks erinnert sie daran, wo wir uns derzeit befinden: Australiens Flora und Fauna ist zwar schön,
aber auch verdammt gefährlich. Neben giftigen Spinnen, Quallen, Fischen und gefährlichen Krokodilen beher-
bergt der Kontinent auch noch 14 der 20 giftigsten Schlangenarten der Welt. Deshalb sollten Warnungen, wie
"Beware of snakes in area" bestimmt sehr ernst genommen werden. Marina weiß sie allerdings zu beruhigen,
denn im Winter sind Schlangen und Spinnen nicht sonderlich aktiv. Stimmt ja, trotz der durchschnittlichen deu-
tschen Sommertemperaturen von 20 Grad haben wir hier derzeit Winter.

 

 

Wir laufen auf Holzstegen und -treppen durch den Küstenabschnitt, bestau-
nen die durch Erosion geformten Felsformationen und sind vom bekanntes-
ten Hügel hier, dem Sugarloaf (= Zuckerhut), begeistert. Mit seinen hellen
Flanken und dem dunklen Topping sieht er aus wie eine umgestülpte Crème
au Caramel (französisch) bzw. Flan (spanisch).
 

Wir kommen zu einer Anhöhe mit einem wunderschönen Weitblick über das Meer. Das sind die Augenblicke, in
denen man wirklich dahinschmelzen kann, auch wenn sich das i-Tüpfelchen dieser Ecke diesmal nicht gezeigt
hat. Marina erzählt uns nämlich, dass man hier sonst recht oft Seelöwen oder Delfine sehen kann. An diesem
Nachmittag haben wir (leider) nur das ruhige Meer und den strahlendblauen Himmel zum Bewundern, was uns
aber auch schon vollkommen reicht. Wir laufen über einen Sandstrand zurück und Olga muss sich wirklich be-
herrschen, keine Muscheln einzusammeln. Ähnlich den türkischen Zollbedingungen mögen es bestimmt auch
die australischen Behörden nicht, wenn man Steine und Muscheln ausführt.

 

 

Aber unsere Strandzeit geht allmählich zu Ende, weil Marina sich auf den
Weg machen muss, um Tim aus der Schule abzuholen. Er besucht die pri-
vate Grundschule Prescott Southern Preschool. Wir kommen pünktlich zum
Unterrichtsschluss an und Olga und Carsten sind völlig erstaunt über die
Schuluniformen, denn was in Deutschland mal wieder absolut undenkbar
ist, gehört in Australien zur Normalität. Im Laufe unseres Aufenthaltes se-
hen wir immer wieder Kinder und Jugendliche mit Schuluniform und ganz
offensichtlich sind die Farben Dunkelblau, Dunkelgrün und Rot die belieb-
testen. Bei den Röcken der Mädchen gibt es wohl keine feste Vorgabe über
die Länge, denn die kleinere Mädels starten mit knielangen oder noch län-
geren Faltenröcke, während die Länge mit zunehmendem Alter immer kür-
zer zu werden scheint. Teenagerinnen sieht man deshalb auch fast schon in
Miniröcken.

Nach der Schule fahren wir wieder zum Haus zurück, denn Marina arbeitet
als private Musiklehrerin und für diesen Abend hat sie noch zwei Klavier-
schüler zu betreuen. In der Zeit, wo sie unterrichtet, bewegt sich die ganze
Familie auf Zehenspitzen und verteilt sich ruhig in allen Zimmern.

 

Olga und Carsten beschließen kurzerhand eine naheliegende Mall aufzusuchen, denn das Erkunden der in ei-
nem Land vorherrschenden Lebensmittelauswahl lieben wir beide immer und überall. Natürlich interessieren uns
eigentlich alle Läden des Komplexes, aber die meisten machen in diesem Einkaufscenter ganz überraschend
schon um 17:30 Uhr zu. Nur der große Supermarkt bleibt als einziges noch länger offen. Später erklärt man uns
auf Nachfrage, dass in der Regel alle Läden so früh schließen und dass es dafür in der Woche einen langen
Donnerstag und einen verkaufsoffenen Sonntag gibt. Andere Länder, andere Sitten.

 

Wieder zu Hause kümmern sich die Frauen gemeinsam um das bevor-
stehende Abendessen und auch Olga kann ihren Teil dazu beitragen.
Sascha und Opa Vladimir kommen erst später nach der Arbeit heim,
aber dann kann das gemeinsame Abendessen mit viel Quatschen be-
ginnen. Da Carsten kein Russisch kann, unterhalten wir uns die ganze
Zeit auf Englisch. Die Großeltern klinken sich nach relativ kurzer Zeit
aus der Runde aus. Bis etwa 23 Uhr werden unzählige Tassen mit
schwarzem Tee getrunken sowie die Erlebnisse der letzten Jahre, Mo-
nate und Tage ausgetauscht. Aber dann ist es für alle an der Zeit end-
lich mal ins Bett zu gehen.

 

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