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Jutry w Serbach – Ostern bei den Sorben
von Olga Meier

Es ist wohl immer noch nicht überall bekannt, dass es in Deutschland eine richtig zweisprachige Gegend gibt. Eine Gegend, wo alle Stadt- und Straßenschilder nicht nur in Deutsch geschrieben sind – eine Gegend, wo die Leute noch alte Bräuche pflegen – eine Gegend in der eben alles etwas anders ist.

Die Rede ist von der Lausitz, eine Ecke in Deutschland, welche in Ostsachsen und Brandenburg liegt. Die Slawen haben den Osten Deutschlands schon ab dem 7. Jahrhundert besiedelt. Unterschiedliche Stämme haben sich im Laufe der Zeit mehr oder weniger zu einer Gruppe assimiliert, welche jetzt als „Sorben“ bekannt ist. Den Namen £užyca (sorbisch für Lausitz) erhielt diese Region von einem Stamm namens "Lunsizi" (sorbisch für Lusizer). Die Eigenschaft der Landschaft, in der sie sich niedergelassen haben hat ihnen zu diesem Namen verholfen - Lonsicin bedeutet „der Bewohner des Sumpflandes“.

Trotz unterschiedlicher, bei weitem nicht immer günstiger, geschichtlicher Entwicklungen gelang es dem Volk der Sorben ihre Eigenständigkeit zu bewahren. Auch heutzutage haben sie eine sehr breite Vielfalt an Bräuchen, welche nach wie vor gepflegt werden und noch immer ein Anziehungspunkt für Touristen darstellen. Die meisten Jahresbräuche sind vorchristlichen Ursprungs, welche zum Teil aber sehr stark von christlicher Religion beeinflusst waren. Insbesondere die Osterzeit wird von vielen sehr schönen und beeindruckenden Bräuchen begleitet.

Als erstens sollte der für Ostern unentbehrliche Gegenstand – das Ei – erwähnt werden. Es gilt schon seit jeher als Symbol für Fruchtbarkeit und Wachstum. Das Verschenken des Eis ist daher sehr verbreitet, weil man so dem Beschenkten auch die innewohnende Lebenskraft schenkt. In diesem Brauch vermischen sich die vorchristlichen Vorstellungen von der Wiedergeburt der Natur nach dem langen Winter mit dem christlichen Glauben an die Auferstehung. Die Färbung und das Verzieren des Eis hat dessen Wertigkeit natürlich noch mehr erhöht. Die sorbischen Ostereier waren bereits um 1700 bekannt.

Für das Verzieren benutzen die Sorben viele unterschiedliche Techniken:

Die bekannteste ist wohl die Wachstechnik. Auf die sauberen, ausgeblasenen oder gekochten Eier werden Muster aus heißem Wachs mit besonders zurecht geschnittenen kleinen Gänsefedern oder Stecknadelkuppen aufgetragen. Das kalte Wachs schützt die Schale vor der Farbe. Nach dem Färben wird der Wachs durch langsames Erhitzen und vorsichtiges Abwischen entfernt. Das vorher aufgetragene Muster kommt danach richtig zur Geltung! Besonders beliebt sind bei der Wachstechnik Sonnenradmotive, Strahlenbündel und Sterne, welche aus Dreiecken, Strichen und Punkten heraus entstehen.

Seltener wird die ähnliche Wachsbossiertechnik praktiziert. Man benutzt dafür ein weißes oder hell gefärbtes Ei und trägt das Muster mit farbigem Wachs auf, welcher letztendlich aber auf der Schale verbleibt.

Für die Kratztechnik muss man eine ruhige Hand haben. Denn in diesem Fall wird das Muster auf das bereits gefärbte Ei mit einem spitzen Gegenstand eingeritzt. Noch mehr Vorsicht ist bei der Ätztechnik angebracht. Diesmal werden die gefärbten Eier mit der Schreibfeder und Säure bearbeitet. Säure löst die Farbe auf und soll dann sehr vorsichtig abgewischt werden. Früher hat man dafür Sauerkrautsaft genommen, heute nimmt man eher verdünnte Salzsäure.

Die Motive der Kratz- und Ätztechnik sind meistens stilisierte Blumen und Ranken.

Ganz gleich welche Technik man für das Verzieren der Eier benutzt – sie werden zu Ostern an Freunde, Bekannte und natürlich an Verwandte verschenkt. Die Kinder besuchen am Ostersonntag ihre Pateneltern, wo sie mit Eiern und Ostersemmel beschenkt werden.

Danach sind die lieben Kleinen gut ausgerüstet für das Waleien! Dieser Braucht wurde früher als Fruchtbarkeitsgarant von den Bauern gepflegt, da sie glaubten, damit den für sie so wichtigen Graswuchs zu fördern. Heutzutage haben die Kinder ihren Spaß damit, denn auf einem Hügel wird eine Bahn festgelegt oder aufgebaut, auf welcher sie dann ihre Eier herunterrollen lassen. Die Eier, welche von einem nachrollenden Ei getroffen werden gelten als geschlagen und der Besitzer des Gewinner-Eis bekommt als Belohnung entweder das Ei, ein Geldstück oder eine Süßigkeit.

Bei vielen Völkern glaubt man an die reinigende Kraft des Feuers, auf dem der Brauch des Osterfeuers beruht. Schon in den Tagen vor Ostern ist die Dorfjugend damit beschäftigt Holz und Brennbares zusammenzutragen, um so einen möglichst großen und hohen Holzstoß errichten zu können. Wenn es in Dorfnähe einen Hügel gibt wird diese Stelle als Platz für das Osterfeuer genutzt, damit das Land so weit fruchtbar werden soll, wie der Schein des Feuers leuchtet.

Einem anderen Element, dem Wasser, hat man ebenfalls Förderung der Reinheit und der Gesundheit Glauben geschenkt. Daraus entstand ein besonders für die Mädchen wichtiger Brauch: das Holen des Osterwassers. Mit diesem pflegte man sich in erster Linie zu waschen, aber auch Besprengen des Viehs und in manchen Orten der Menschen, denen man begegnete, gehörte dazu. Das heilende Wasser hatte ihre Wunderkräfte allerdings nur, wenn die Mädchen es in der Nacht zum Ostersonntag vor Sonnenaufgang geholt hatten. Besonders wichtig war, sowohl auf dem Weg zum See oder Fluß als auch auf dem Rückweg, völliges Schweigen zu bewahren. Das Wasser durfte auch nur von dem Ort geholt werden, wo es noch von keinem Sonnenaufgang beschienen worden ist – also mit Fließrichtung gen Osten. Die jungen Männer haben natürlich immer wieder versucht, die Wasserträgerinnen auf dem Rückweg zu erschrecken oder sie zum Sprechen zu bewegen. Wenn das Schweigegebot verletzt worden war verlor das Osterwasser seine Wunderwirkung und wurde zum Plapperwasser - dem Mädchen war dann Spott im Dorf absolut sicher.

Am Ostersonntag erlebt man in Lausitz mit dem Osterreiten den Höhepunkt der sorbischen Feierlichkeiten. Über 1000 festlich geschmückte Reiter mit Gehrock, weißen Handschuhen und Zylinder reiten in neun Prozessionen durch die Dörfer und verkünden singend und betend die Auferstehung Christi.. Mit sich führen sie Kirchenfahnen, ein Kreuz und die Statue des Auferstandenen. Die Pferde sind mit Blumen und Bändern festlich geschmückt. Derjenige, welcher zum ersten Mal in der Prozession am Osterreiten teilnimmt trägt ein Myrthenkränzchen, wer schon länger dabei ist und einen Jubiläum feiern kann schmückt sich passend mit einer silbernen 25 oder einer goldenen 50. Die zu reitenden Wege führen so durch die Felder, dass die verschiedenen Prozessionen nie aufeinander treffen und enden in der eigenen Kirche.

In den letzten Jahren erleben die traditionellen Bräuche einen neuen Aufschwung, die Lausitz ist daher auf jeden Fall einen Besuch wert!

veröffentlicht in der WZO zu Ostern 2005